[Dieser Beitrag wurde im Februar 2022 abgeschlossen und erscheint nun aus gegebenem (traurigen) Anlass.]

1. Einleitung

Der vorliegende Beitrag möchte einen Überblick über den Rezeptionsverlauf der Werke von ÔE Kenzaburô in den deutschsprachigen Printmedien vermitteln. Es wird dabei keine kritische Analyse angestrebt, sondern vielmehr ein Einblick in der Art einer Presseschau gegeben. Diese stützt sich auf die Sammlung des INNSBRUCKER ZEITUNGSARCHIVS[1], das die Rezeption deutsch- und fremdsprachiger Literatur in den deutschsprachigen Printmedien seit Mitte der sechziger Jahre systematisch dokumentiert. Die IZA-Sammlung umfasst die großen überregionalen deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen sowie einzelne regionale Zeitungen.[2] Insgesamt kann anhand des vorliegenden Sammelbestandes eine repräsentative Aussage über Erfolgskurven und inhaltliche Schwerpunkte in der Rezeption der Werke ÔEs im deutschsprachigen Raum gemacht werden, allerdings muss auf eine quantitative Analyse verzichtet werden, da der vom IZA ausgewertete Quellenbestand nicht stabil ist, sondern im Laufe der Zeit immer wieder einzelne Medien hinzukommen oder wegfallen. Für ein valides Zahlenmaterial müsste die Auswahl der herangezogenen Quellen auf einzelne Zeitungen reduziert werden, was aber wiederum einen Verlust im inhaltlichen Bereich bedeuten würde. Auf diesen konzentriert sich dieser Beitrag, für den sämtliche zu ÔE und seinem Werk vorliegenden Presseartikel herangezogen wurden (165 Artikel allgemeiner Art und 107 Buchbesprechungen)[3]. Auf den Rezeptionsverlauf in der DDR kann allerdings nicht eingegangen werden, da hierzu das vorliegende Material zu dürftig ist.[4]

2. Die japanische Literatur im deutschsprachigen Printfeuilleton

„Wir brauchen nicht so tun, als verstünden wir die Japaner“, schreibt der österreichische Kritiker Anton Thuswaldner in den Salzburger Nachrichten am 21. März 2011[5] und erklärt dann auch, warum das so sei: „Sie haben mit unserer Art, Welt aufzunehmen und zu gestalten, nichts gemein. Sie sind unsere Antipoden, Literatur vermag wenigstens etwas aufzuhellen von dem, was sie umtreibt.“ Diese, für die westliche Japanrezeption typische Grundformel ‚Japan ist anders’[6] verspricht wenig Erhellendes und endet tatsächlich mit düsteren Skizzen des „japanischen Temperament[s]“ (Prototyp MISHIMA Yukio),[7] und der japanischen „Duldungsfähigkeit“ (OGAWA Yoko).[8] Anders jedoch sieht er den von „der westlichen Art des Denkens infiziert[en]“ MURAKAMI Haruki, den „Autor des globalen Zeitalters, der für jenes Japan steht, das sich aus der Selbstbezogenheit befreit.“ „Zu verdanken“ habe dies MURAKAMI „gewiss viel dem Nobelpreisträger Kenzaburô ÔE, der ganz im Sinne der Tradition anfing zu schreiben und sich allmählich zum Abweichler entwickelte.“[9]

Auch wenn THUSWALDNER erklärt, dass er die Andersartigkeit Japans nicht aus Ablehnung sondern aus Respekt einer fremden Kultur gegenüber hervorhebt,[10] verwundert die derbe Skizzierung Japans und seiner Literatur in dieser Kritik doch angesichts der deutlich angestiegenen Zahl an Übersetzungen japanischer Literatur spätestens seit der Jahrtausendwende.[11] Auch Ereignisse wie der Japan-Schwerpunkt auf der FRANKFURTER BUCHMESSE 1990, die Nobelpreisverleihung an ÔE Kenzaburô 1994 sowie der seit 2000 mit der Publikation von Gefährliche Geliebte ungebrochen anhaltende Erfolg von MURAKAMI Haruki haben zu einer breiteren medialen Aufmerksamkeit für die japanische Literatur geführt, weshalb man für diese Zeit nach der Jahrtausendwende durchaus ein differenzierteres Urteil hätte erwarten können.

Doch Stereotype sind hartnäckig und vor allem: die Geschichte der Rezeption japanischer Literatur in den deutschsprachigen Medien ist nicht älter als gerade einmal 50 Jahre. Diese setzt erst Mitte der sechziger Jahre ein, wo es zu einer „enorme[n] Zunahme von Erstveröffentlichungen und Nachdrucken japanischer Literatur“ kommt, wie es in der Studie von ANDO, HIJIYA-KIRSCHNEREIT et.al. heißt.[12] Vorher sei „kaum mit Rezensionen von Übersetzungen japanischer Literatur zu rechnen“ gewesen.[13] Zu den ersten Autoren, die das ‚Eis’ des Desinteresses brechen und die Aufmerksamkeit des Feuilletons auf sich lenken, gehören MISHIMA Yukio, KAWABATA Yasunari und INOUE Yasushi. MISHIMAS Roman Nach dem Bankett (1967) wird 1968 von Heinrich VORMWEG zwar nicht gelobt, aber doch ausführlich besprochen (Vormweg 1968) und außerdem noch in drei weiteren Sammelbesprechungen erwähnt,[14] KAWABATAs Tagebuch eines Sechzehnjährigen (1969) erhält Ende 1969/Anfang 1970 gleich drei große Besprechungen[15], Die Eiswand (1968) von INOUE wird 1969 von SCHAARSCHMIDT und VORMWEG positiv besprochen, von Franz SCHÖLER hingegen in Die Welt als „überflüssige[s] Buch“ zurückgewiesen.[16] Ihnen folgen ABE Kôbô, KÔNO Taeko sowie eine immer größer werdende Zahl von bis dahin im deutschen Sprachraum unbekannten Autor*innen. Die größte Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Feuilleton erreichen, wie bereits erwähnt, zunächst MISHIMA Yukio, KAWABATA Yasunari und INOUE Yasushi. Anfang der neunziger Jahre überholt dann YOSHIMOTO Banana das Trio und wird ihrerseits dann 1994 von ÔE Kenzaburô abgelöst, als dieser den Nobelpreis erhält. Seit Ende der neunziger Jahre ist und bleibt jedoch MURAKAMI Haruki der bei weitem am häufigsten besprochene japanische Autor im deutschsprachigen Feuilleton. Auf Basis der Daten im Innsbrucker Zeitungsarchiv besetzen seit der Jahrtausendwende die ersten drei Plätze MURAKAMI mit 391 Buchbesprechungen), ÔE mit 70 und YOSHIMOTO mit 46 Buchbesprechungen (Stand 18.2.2022).[17]

3. Die Einführung von ÔE Kenzaburô in das literarische Feld der deutschsprachigen Länder

Der früheste bis dato nachgewiesene Artikel, in dem ÔE im deutschsprachigen Feuilleton näher erwähnt wird, stammt von dem Komparatisten Ralph-Rainer WUTHENOW (1928-2013), der sich ebenso wie der Übersetzer Siegfried SCHAARSCHMIDT seit Ende der 60er Jahre um die Verbreitung moderner japanischer Literatur bemühte. In einer am 12. Juli 1969 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Besprechung der Anthologie Japan erzählt (DONATH 1969) vergleicht WUTHENOW ÔE mit MISHIMA und findet zu einem klaren Urteil: Letzteren hält er für „weitgehend überschätzt“, während

„ÔE Kenzaburô, zweifellos weniger raffiniert, schlichter, aber kräftiger, nüchterner und minder schauspielerisch, […] sich in ‚Der Stolz der Toten’ wieder von seiner besten Seite [zeigt]: ohne Forciertheit, ohne Schielen nach dem Leser, unsentimental und im guten Sinne unbekümmert. Er schließt den Band auf eine Weise, die Erwartungen weckt. (WUTHENOW 1969).

Am 11. September 1972 erscheint ebenfalls in der FAZ ein großer Überblicksartikel zu japanischer Literatur. Siegfried SCHAARSCHMIDT analysiert dort westliche Rezeption japanischer Literatur in ähnlicher Weise, wie BOURDIEU später das literarische Feld beschreibt, das durch die einander konkurrierenden Subfeldern der ‚reinen’, autonomen Literatur und dem heteronomen Feld der Massenproduktion gekennzeichnet ist.[18] SCHAARSCHMIDT erklärt, dass in der europäischen Rezeption die japanische Literatur  nie als ‚reine‘ Literatur eingestuft werde, sondern Autoren wie TANIZAKI, KAWABATA und MISHIMA stets als „exotisch“, „typisch japanisch“, „womöglich altjapanisch“ aufgenommen werden, also nicht nach autonom-literarischen Kriterien beurteilt werden. Die Werke von ABE Kôbô und ÔE Kenzaburô hingegen würden keine Anschlussmöglichkeit an diese in Europa dominierende Form der Rezeption bieten, da in deren Werken von „Realien“ wie „Kimono“, „Tatami-Matten“, „Zen-Sprüche oder Haiku [...] in der Regel überhaupt nicht die Rede sei.“ (SCHAARSCHMIDT 1972). SCHAARSCHMIDT kritisiert also indirekt diese auf heteronomen Wertkriterien basierende Rezeptionshaltung, die Literatur „aus so fremden Kulturen“ aus dem autonomen Feld „reiner Literatur“ ausschließe und erklärt, dass dies der Grund sei, warum ein Autor wie ABE in Europa wenig Beachtung fände. Die „‚global’ geprägte erzählerische Könnerschaft“ ÔEs könnte nun aber das autonome Feld für die japanische Literatur öffnen, da ÔE im Vergleich zu ABE dem westlichen Leser aktuellere und leichter zugängliche Themen anbiete (SCHAARSCHMIDT 1972).

Die früheste Rezension eines Einzelwerks von ÔE stammt wiederum von Ralph Rainer WUTHENOW, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Roman Eine persönliche Erfahrung bespricht (WUTHENOW 1972). Als „psychologischer Roman eines uns unbekannten Japaners“ untertitelt, stellt diese Rezension eine uneingeschränkte Lobeshymne des Romans und seiner Übersetzung dar und erwähnt auch die bereits vorher auf Deutsch in Anthologien erschienenen Erzählungen Der Fang (1964) und Stolz der Toten (1969). Ähnlich wie SCHAARSCHMIDT versucht auch WUTHENOW eine kritische Korrektur des westlichen Japan-Kanons, indem er hier ÔE von den Manierismen MISHIMAs, KAWABATAs und DAZAIs abgrenzt[19] und ihn als zwar verstörenden, aber vielversprechenden Autor vorstellt. Ohne den französischen Existenzialismus als literarische oder philosophische Richtung explizit zu nennen betont WUTHENOW die schonungslose, obszöne Darstellung von Scham, Sexualität und Ekel und lässt damit deutlich die Anknüpfungspunkte erkennen, die sich einem westlichen Leser anbieten. WUTHENOWs Bemühen, die Obszönität in ÔEs Werk als literarisches Verfahren zu beschreiben, das die Moral (‚Sittlichkeit’) [20] des Textes transportiere und sich damit auch deutlich von MISHIMA unterscheide, scheint aber wirkungslos zu bleiben.

In den erst acht Jahre später erscheinenden Besprechungen der deutschen Ausgabe von Die Brüder Nedokoro“ (1980) erwähnt Werner ROSS in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwar den biographisch begründeten Bezug ÔEs zu SARTRE, stellt aber keinen Zusammenhang mit den „Scheußlichkeiten“ her, die er als typisch japanisch beschreibt: „Europäische Leser muss etwas anderes überraschen, das nur ‚japanisch’ vorkommt: man könnte es die ästhetische Stilisierung des Widrigen nennen.“ (ROSS 1980). Anders auch als SCHAARSCHMIDT, der in der österreichischen Tageszeitung Die Presse eine ausführliche Einführung in den von ihm übersetzten Roman gibt und das hoffnungsvolle Ende des Romans als für ÔE typisches Verfahren beschreibt (SCHAARSCHMIDT 1980), sieht ROSS hier keinen werkimmanenten Zusammenhang, sondern lediglich den Versuch, durch „die Harmonisierung des Gräßlichen [...] so etwas wie einen hoffnungsvollen Schluss anzuhängen.“ (ROSS 1980).

Hatten die ganz frühen Rezensionen von SCHAARSCHMIDT und WUTHENOW noch darauf abgezielt, die Anschlussfähigkeit der Werke ÔEs an die moderne westliche Literatur und Kultur aufzuzeigen, versucht WUTHENOW nun in einer Besprechung der Stillen Tage (1994) ÔE wiederum in einen spezifisch japanischen Kontext zu stellen. Er bettet das Werk in die Tradition des shishôsetsu ein[21], in der die Authentizität und Faktizität der literarisch verarbeiteten Erfahrung eine zentrale Rolle spielen. Dieses Merkmal hat die Japanologin Irmela HIJIYA-KIRSCHNEREIT 1981 erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft in einer Studie als „Selbstentblößungsrituale“ erklärt (HIJIYA-KIRSCHNEREIT 1981). Die distanzierte, Objektivität simulierende Erzählerrolle und die ironische Schlusspointe verbindet WUTHENOW hier mit DAZAI Osamus Erzählung Viyon-no tsuma (Villons Frau, dt. 1975/1992 u. 1982). Aus den zahlreichen, auch in den nachfolgenden Rezensionen von WUTHENOW immer wieder angeführten, Bezügen zur japanischen Literatur, Geschichte und Kultur darf allerdings kein direkter Rückschluss auf den Erfahrungshorizont der Leser*innen des deutschsprachigen Feuilletons gezogen werden. Tatsächlich war beispielsweise das Interesse an DAZAIs Werk im deutschsprachigen Raum nach dem ersten (Übersetzungs-) Boom in den fünfziger Jahren bald versickert (vgl. SCHAARSCHMIDT 1990) und die Erwähnung seines Namens ist lediglich auf das Fachwissen des Literaturwissenschaftlers zurückzuführen.

4. Der unbekannte Nobelpreisträger

Als am 13. Oktober 1994 die Verleihung des Nobelpreises an ÔE Kenzaburô verkündet wurde, hatte der Autor in Japan insgesamt 64 Werke in Buchform (20 Romane, 30 Essaybände, 14 Kurzgeschichten) veröffentlicht. In deutscher Übersetzung waren bis dahin nicht mehr als fünf Buchtitel[22], acht Erzählungen bzw. Auszüge aus Romanen in Sammelwerken sowie fünf Essays erschienen. Der dritte in bundesdeutschen Verlagen publizierte Roman, Verwandte des Lebens,  erschien unmittelbar nach der Nobelpreisverleihung auszugsweise als Vorabdruck am 17. Oktober 1994 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und am 1. November in der Japan-Reihe der EDITION Q des auf Zahnmedizin spezialisierten Fachverlags QUINTESSENZ.[23]

Sigrid LÖFFLER reagierte auf die Wahl des Nobelpreiskomitees mit „Gratulationen an einen Unbekannten“:

Die achtzehn Lebenslänglichen aus der schwedischen Nobelpreis-Jury, diese irritierenden Exzentriker, haben [...] uns düpiert, haben uns die Grenzen unserer Belesenheit aufs boshafteste deutlich gemacht, haben uns wieder einmal einen Namen hingeknallt, vor dem wie uns blamieren sollten. Bleibt nur der Rückzug, hoffentlich nicht ganz würdelos, aufs gute alte KLFG. (LÖFFLER 1994).

Weniger Scham als seine österreichische Kollegin zeigte Marcel REICH-RANICKI, der auf die Frage, was er vom Werk des Nobelpreisträgers halte, antwortete:

Ich kann hierzu nichts sagen, weil ich keine einzige Zeile von ihm kenne. Und niemand, auch nicht die Königliche Akademie in Stockholm, wird mich zwingen, diesen – vielleicht bedeutenden – Autor zu lesen. [...] Aber warum sollte ich verheimlichen, dass ich von der japanischen Literatur keine Ahnung habe und von der chinesischen und koreanischen ebenfalls? (REICH-RANICKI 1994).

Siegfried SCHAARSCHMIDT (1925-1998)[24], Übersetzer des Romans Eine persönliche Erfahrung (1972) u.a. Werke, gehörte unter den deutschsprachigen Kritiker*innen zu den engagiertesten Fürsprechern, nicht nur der Werke ÔEs sondern der japanischen Literatur überhaupt. Er wusste also, wovon er sprach, wenn er anlässlich der Nobelpreisverleihung feststellte, dass „uns [...] ein Vierteljahrhundert ÔE“ fehlt und die wenigen ins Deutsche übersetzten Werke von den deutschen Kritiker*innen schlichtweg ignoriert worden waren.[25]

In der ersten Serie von Artikeln, die anlässlich der Nobelpreisverleihung am 14. Oktober 1994 erscheinen, fächert sich das Spektrum der Literaturkritiker*innen, die über ÔEs Werk in den deutschsprachigen Printmedien schreiben, in eine weniger spezialisierte Gruppe von Akteur*innen auf, die sich mehr an allgemeinen, im Zuge des Nobelpreises kolportierten Informationen sowie an gängigen Japanbildern orientieren. Auch ‚landeskundliches’ Wissen wird eingeschoben, beispielsweise die im Japanischen übliche Voranstellung des Familiennamens, die Ludger LÜTKEHAUS damit erklärt, dass „das Individuum [...] erst an zweiter Stelle kommt“ (LÜTKEHAUS 1994). ÔEs biographischer Werdegang und insbesondere die Geschichte seines behinderten Sohnes Hikari werden in allen Artikeln ausführlich nachgezeichnet. Dort, wo eine literarische Kontextualisierung stattfindet, wird mehrheitlich auf den westlichen Kanon zurückgegriffen, vor allem die französischen Existenzialisten mit Jean Paul Sartre und Albert Camus sowie Fjodor DOSTOJEWSKI, Henry MILLER und Norman MAILER werden als „geistige(n) Väter“ genannt (Richter 1994). ÔE wird als gesellschaftskritischer, aber keiner ideologischen Doktrin zuordenbarer Autor vorgestellt. Erstmals werden nun auch seine politischen Essays erwähnt und vor allem seine Warnung vor dem atomaren Holocaust hervorgehoben.[26] Uneinigkeit in der Bewertung herrscht vor allem in der Beurteilung von ÔEs Weltsicht, die vom ‚Ausweichen’ ins „harmonistische Happy-Ending“ (LÜTKEHAUS 1994) bis zum Hinweis reicht, dass Kritiker den „fortgesetzten Pessimismus“ bemängeln würden (DPA/AP/VN 1994), und sein Werk für einen breiten Publikumserfolg „zu ernst, ja vielfach zu bitter sei“ (GUTSCHKE 1994). Etwas verhaltener reagiert der Ostasienkorrespondent Georg BLUME, der bereits im Titel anklingen lässt, dass er ÔE nicht mehr für aktuell halte („Eine Epoche zu spät“, BLUME 1994a) und seine Werke „zwischen Moderne und Mystik, zwischen westlicher Rationalität und altem Samurai-Denken“ ansiedelt, für das sich „[N]icht einmal die Japaner“ interessieren würden (BLUME 1994a). Eine noch kritischere Stimme findet sich im Tagesspiegel, wo Tilman KRAUSE das Bild eines wenig begabten und mit der liberalen Zeitströmung der westlichen Welt konform gehenden Autors zeichnet, weshalb die Wahl des Nobelpreiskomitees allein politischer Korrektheit zu verdanken wäre.[27]

Insgesamt rückt der Nobelpreis zwar das Gesamtwerk (wenn auch nur das ins Deutsche übersetzte) in den Vordergrund, und das Feuilleton feiert ÔE mal mehr, mal weniger als gesellschaftskritischen Autor, dessen Status in der japanischen Gesellschaft sich mit dem hiesigen von GRASS und auch BÖLL vergleichen ließe. Die Auseinandersetzung mit Erzähltechnik, Ästhetik und Entwicklungsverlauf, die die frühen Kritiken von SCHAARSCHMIDT und WUTHENOW boten, fehlen in den Nobelpreisartikeln. Dies hat zum einen mit dem Event-Charakter des Nobelpreises zu tun, der sich direkt auf die journalistische Verarbeitungsform auswirkt,[28] zum anderen ist die inhaltliche Aushöhlung des Diskurses jedoch eine typische ‚Nebenerscheinung’ von Kanonisierungsprozessen.[29] Wenn ein Autor im Kernkanon der „Weltliteratur“ angekommen ist, bedarf es keiner Argumente mehr, um dies zu begründen: „Ôe ist ein ausgezeichneter Dichter, seine Bücher gehören zur Weltliteratur, auch wenn uns der Ferne Osten literarisch immer noch nicht nahe ist.“ (TSCHAPKE 1994). Abseits des ‚großen’ Feuilletons, d.h. in kleineren Zeitungen, die sich auf die Texte der Nachrichtenagenturen stützen, ist der Nobelpreisträger der Autor, der mit Eine persönliche Erfahrung berühmt wurde. Es werden die Frage um die Interpretation des ‚idyllischen Endes’ diskutiert sowie eine Aussage des Übersetzers Schaarschmidt aufgenommen, dass ÔE „literarisch sehr bedeutend, aber nicht der ganz Große“ sei (vgl. CERHA 1994; DPA/AP/VN 1994, SN/ohne Verfasser 1994). Die Herkunft dieser Aussage lässt sich nicht verifizieren, erstaunt aber angesichts der von Schaarschmidt selbst verfassten Artikel zum Nobelpreis, in denen er seine Wertschätzung ausdrücklich formuliert. Hatte „der Westen“ bei KAWABATA „mit dem bequemen Mißverständnis“ reagiert, KAWABATA sei ein ‚Traditionalist’, sei das diesmal anders:

Gegenüber den Werken des Kenzaburô Ôe verfängt solche Ausflucht nicht. Sie sind gewiß weniger japanisch, doch ihre Fremdheit geht uns an; dieser Autor provoziert. Das ist es, was die Stockholmer Entscheidung so überzeugend macht: Ôe gehört wie Garcia Marquez und andere zu denen, die eine Neuinstrumentalisierung der Weltliteratur betreiben. [...] Man hat gefragt, was dieser neue Nobelpreisträger aus dem fernen Japan uns denn wohl zu geben habe. Die Antwort ist einfach, ja banal: Wir brauchen ihn. (SCHAARSCHMIDT 1994b).

In der, eine Woche nach der Verkündung des Nobelpreises erschienenen, zweiten Serie von größeren Artikeln im Feuilleton verschärft Georg Blume gemeinsam mit der Ostasienkorrespondentin YAMAMOTO Chikako seine bereits im ersten Artikel angeklungene Kritik (vgl. Blume 1994a): ÔE gehöre seit der „68er Revolution bereits zum Establishment“, sein „von Sartre abgeschaute[s] Vorbild des jederzeit engagierten Intellektuellen“ verblasse und ÔEs Selbstdarstellung als das „’schwarze Schaf Nippons’“ sei eine Selbststilisierung, die allein schon der kommerzielle Erfolg seiner Werke in Japan widerlege (BLUME / YAMAMOTO 1994). Noch deutlicher wird der Kritiker in dem drei Tage später erscheinenden Artikel in der Basler Zeitung, in dem er dem Autor vorwirft, er gefalle „sich inzwischen in der Rolle des Verkannten“ und „pflege sein eigenes Denkmal“. Dem Vorwurf, dass ÔE sich nicht dem „Trend der Kommerzialisierung und Trivialisierung“ widersetze (BLUME / YAMAMOTO 1994), widerspricht aber HIJIYA-KIRSCHNEREIT, die betont, dass ÔE „beileibe kein Bestseller-Autor“ sei, da „seine Literatur zu komplex“ dafür sei (HIJIYA-KIRSCHNEREIT 1994). Auch SCHAARSCHMIDT reagiert in dem bereits erwähnten Artikel auf die gegen ÔE erhobenen Kritikpunkte und verteidigt ihn gegen den Vorwurf der Nachahmung westlicher Vorbilder wie MAILER, FAULKNER und SARTRE. Der von MISHIMA Yukio geäußerten Kritik am harmonischen Ende von Eine persönliche Erfahrung stimmt er zwar teilweise zu („strukturelle Schwäche“), rechtfertigt es aber als Bekenntnis zur „Ehrlichkeit“, der ÔE „als Moralist[en]“ verpflichtet sei (SCHAARSCHMIDT 1994b). Als anlässlich eines kritischen Berichts des britischen Autors James Kirkup in den Asahi Evening News vom 4. Dezember 1994[30] eine Reihe von Meldungen durch die Presse geht, holt LÜTKEHAUS zu einer Gegendarstellung aus. Während Kritiker fehlende ästhetische Innovation anführen würden, sei ÔE zwar „’westlich’ im Sinn der demokratischen und humanistischen Aufklärung“, aber nicht formal, da er die „japanische Ästhetik der Reduktion“ mit der „Verdinglichungsphilosophie Sartres und dem ‚Verwandlungs’-Surrealismus Kafkas“ verbinde und damit eine Technik der „Reduktion aller Reduktionen“ entwickle, die sich einer leicht konsumierbaren Lektüre verschließe („schön, gar bekömmlich ist das nicht.“). Auch LÜTKEHAUS stellt den Roman Eine persönliche Erfahrung in den Mittelpunkt und feiert den Autor als „Behindertenpoet der Weltliteratur“ (LÜTKEHAUS 1994). Eine letzte Reaktion auf den Nobelpreis erscheint Anfang 1995, in der es jedoch vor allem darum geht, auf die Neuerscheinungen zu verweisen: Verwandte des Lebens (1994) in der EDITION Q, die Neuauflage des 1989 bei Volk und Welt erschienenen Erzählbands Der kluge Regenbaum (1994) und der neue Band Stille Tage (1994) im Insel-Verlag. Hubert Spiegel geht hier auf die schwache Rezeption von ÔEs Werk in Deutschland ein und erklärt dessen ‚Unbekanntheit’ mit der mangelnden Kongruenz von ÔEs Themen und Schreibstil, die für die „politisierten frühen Siebziger [...] zu privatistisch“ waren, aber auch nicht in die „wenig später zelebrierte[n] Innerlichkeit“ noch in die „postmoderne Tändelei“ gepasst hätten. Hier hätten der an den französischen Existenzialismus und die „geradlinige“ Erzähltradition des shishôsetsu anknüpfende „schonungslose autobiographische Ich-Roman[s]“ auf „westliche Leser kunstlos“ und verstaubt gewirkt (SPIEGEL 1995).

Die Fixiertheit der deutschsprachigen Literaturkritik auf das Bild ÔEs als Gesellschaftskritiker, Moralisten und autobiographischen Autor verstellt den Blick auf die Komplexität seiner Werke, wie Lisette Gebhardt aufzeigt und in diesem Zusammenhang auf das bereits in den späten sechziger Jahren in ÔEs Werk nachweisbare Interesse an Spiritualität verweist:

Ôes Ruf als kritischer Intellektueller, politisch engagierter Autor und als das ‚Gewissen seines Landes’ (Lütkehaus Anm. d. V.) fußt auf seinen Texten und seiner Aktivität aus den sechziger Jahren, als er sich an der linken Protestbewegung beteiligte. [...] Diese Vorgeschichte lässt nichts von Ôe als einem irgendwie mit <spirituellem> Gedankengut affiliierten Denker erkennen. (GEBHARDT: 2001: 126)

Auch HIYIJA-KIRSCHNEREITs Studie über den shishôsetsu, in der das Werk ÔEs nur am Rande erwähnt wird und in der auch die „vielbeschworene ‚Traditionalität’“ der „Shishôsetsu-Literatur“ in Frage gestellt wird (vgl. HIJIYA-KIRSCHNEREIT 1981: 230), spricht absolut gegen die simplifizierende Zuordnungen, wie sie in vielen Kritiken zu ÔE praktiziert werden. Sowenig die Divergenz zwischen Fachliteratur und Literaturkritik erstaunt, zeugt die Selbstsicherheit der Urteile in den Kritiken doch von einer mangelnden Sensibilität gegenüber einem Kulturraum, für dessen Verständnis es ganz offensichtlich differenzierterer Kenntnisse bedarf.

5. ÔE als kanonisierter Autor

Als nach dem Nobelpreis der Buchmarkt auf das mangelhafte Angebot an ÔE-Übersetzungen reagiert, bleibt zunächst die Resonanz auf die neu publizierten Titel bescheiden. Die beiden Romane Verwandte des Lebens (1994) und Stille Tage (1994) sind immer noch auf die ‚Fürsorge‘ der ‚alten’ Japan- und ÔE-Freunde angewiesen. Neben je einer Besprechung von WUTHENOW (1995a u.1995b) werden die Romane nur noch in zwei Sammelbesprechungen näher erwähnt (SPIEGEL 1995 u. LÜTKEHAUS 1996). Gänzlich an mangelnder Fürsprache leidet der 1995 in der EDITION Q erschienene Roman Therapiestation, dem keine über den Nobelpreis erworbenen Vorschusslorbeeren gewährt werden. Zwei von drei Kritiken sind vernichtend: „Auch ein Nobelpreisträger schreibt schlechte Bücher“ (PATZER 1996) – „Zum Glück hat Ôe viele andere Bücher geschrieben“ (DEMETZ 1996). „Als thesenhaftes, lebloses Stück Literatur“ stößt vor allem die fehlende Psychologisierung der Figuren und der Stil auf Ablehnung. Warnend schließt Georg PATZER mit den Worten: „dieses Buch ist eines der schlechtesten, das in den letzten Jahren aus Japan zu uns gekommen ist.“ (PATZER 1996). Erst das 1997 erscheinende Erstlingswerk Reißt die Knospen ab bringt dem Autor die volle Anerkennung in der Presse. Mit 18 Rezensionen ist es bis zur Jahrtausendwende das meistbesprochene Werk ÔEs. Derselbe Rezensent, dem die Sprache in der Therapiestation zu „gestelzt“ war (PATZER 1996), lobt nun die Einfachheit und „direkte(n) Sprache, die nichts mehr von der poetisch schwammigen, symbolistisch überhöhten Sprache der japanischen Literatur hat, die damals den Markt beherrschte“ (PATZER 1997).

Die in den vorherigen Artikeln und Rezensionen deutlich spürbare Distanz und Unsicherheit im Umgang mit den Werken ÔEs löst sich bei diesem Roman auf. Die Kritiker identifizieren sich mit den Figuren, die sie ausführlich schildern und als „berührend“ aufnehmen (LÜTKEHAUS 1997).[31] Auch auf der moralischen Ebene scheint der Roman die Erwartungshaltung der Rezensenten einzulösen, die dem Werk mehrmals das Label „japanische Nachkriegsliteratur“ verleihen, was angesichts der häufig von westlicher Seite geäußerten ‚Bringschuld’[32] Japans in Bezug auf seine ‚Vergangenheitsbewältigung’ von besonderer Bedeutung ist. Wolfram SCHÜTTE zeigt dabei deutlich, wo für ihn der Parameter gelungener Vergangenheitsbewältigung liegt, wenn er den Roman direkt neben den deutschen Klassiker der Nachkriegsliteratur, Draußen vor der Tür von Wolfgang BORCHERT, stellt:

Mit dieser von Empörung und Wut, Verzweiflung und Mut instrumentierten Prosa, die sich voll und ganz auf (pubertierende) Verwirrung der Gefühle, auf die Grausamkeit der Jugend und ihre Sehnsucht nach Liebe einlässt, „in einer Zeit des Mordens“, hat Kenzaburô Ôe nicht nur seiner japanischen Nachkriegsgeneration sein Draußen vor der Tür geschrieben; sondern auch der Nachwelt einen immer noch erregend-sinnfälligen Roman menschlicher Demütigung und individuellen Aufruhrs.“ (SCHÜTTE 1997).

Vergessen sind die Vorwürfe der ‚Verstaubtheit’[33] und mangelnden Originalität ÔEs, dem nun „drängende Erzählkraft“ und „zupackende[n] Eigenart“ (SCHÜTTE 1997) zugeschrieben werden. Auffallend ist auch, dass in den Besprechungen dieses Werks nicht mehr nach Eigenarten der japanischen Literatur oder Kultur gefragt wird, sondern dass man es als eigenständiges, überzeugendes Debutwerk beurteilt.[34] Auch in einem 2015 erschienenen Autorenporträt wird noch einmal die „traumwandlerische Sicherheit der Komposition“ im Debutroman gegenüber den späteren Werken hervorgehoben, in denen „die jugendliche Frische und Kraft im Laufe der Zeit zu schwinden drohten.“ (FEDERMAIR 2015).

6. Tagame (2005) als Spätwerk

Einen vergleichbaren Erfolg wie Reißt die Knospen ab (1997) erlangte nur noch der 2005 beim FISCHER-Verlag erschienene Roman Tagame. Berlin–Tokyo, der mit insgesamt 17 Besprechungen die höchste Anzahl an Rezensionen erreicht, wobei es sich bei zwei davon um Interviews handelt (WITTSTOCK 2005 u. NIEDERMEIER 2005). Der Erfolg ist vermutlich auch auf die Vermarktungsstrategie des Verlages zurückzuführen, der im September 2005 eine Lesereise des Autors im deutschsprachigen Raum organisiert. Hinzu kommt eine Einladung ÔEs zum ebenfalls im September stattfindenden internationalen Literaturfestival SPRACHSALZ in HALL in Tirol, wo ÔE nicht nur aus dem Roman liest, sondern auch an der Präsentation der Anthologie Nach Japan (2005) teilnimmt, die einen Text ÔEs über dessen Verhältnis zur deutschen Sprache und Literatur enthält.[35] Den Zugang zu Tagame ebnet aber ganz offensichtlich der autobiographische Hintergrund des Romans. Sohn Hikari ist seit Eine persönliche Erfahrung und die zahlreichen Artikel anlässlich des Nobelpreises bekannt. Die tragische Geschichte des im Roman verarbeiteten Freitods von ÔEs Schwager ITAMI Jûzô weckt ebenfalls das Interesse an dem Roman, dessen dokumentarischer Charakter („schwach fiktional“ FEDERMAIR 2006 u. 2015) hervorgehoben wird:

Schon von den ersten Seiten an wird deutlich, dass es sich bei Ôes Erzählung um einen kaum verhüllten Schlüsselroman handelt. Die Detailgenauigkeit verleiht dem Text die Authentizität eines dokumentarischen Werks, aus dem das Persönliche, das Umständliche und die Redundanz konkreter Lebenswirklichkeiten nicht herausgefiltert wurde. (LÖHNDORF 2006).

Tagame wird als Spätwerk des „‘reifen’ Ôe“ (FEDERMAIR 2006) wahrgenommen, und man sucht nun nach Verbindungslinien, die die Einordnung in das Gesamtschaffen des ‚Nobelpreisträgers’ erlauben. Der früher als schwierig, die Lektüre behindernde oder gar als Verfehlung verurteilte Stil ÔEs wird nun als Eigenart und Merkmal gerechtfertigt:

Manch ein geschäftstüchtiger Verleger wäre wohl wahnsinnig geworden angesichts der Beiläufigkeit, mit der Ôe solche dramatischen Ereignisse in seinen Roman einfließen lässt. Aber seine unspektakuläre Annäherung an verdrängte Aspekte der eigenen und der japanischen Geschichte ist Ôes Art, Abstand zu gewinnen. Dazu zählt auch seine allgegenwärtige Ironie [...]. (BARON 2005).

Lediglich HIJIYA-KIRSCHNEREIT äußert sich kritisch zu dem Roman, den sie in der japanischen Originalausgabe bereits 2002 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bespricht. Sie interpretiert den Erfolg mit der Befriedigung von „Neugier und voyeuristischem Interesse“ und kritisiert die am Ende gezwungen wirkende „Wendung ins Optimistische“. (HIJIYA-KIRSCHNEREIT 2002).

Für Kritiker*innen, die mit ÔEs Werken weniger vertraut sind, bleibt Tagame allerdings eine schwer zugängliche Lektüre, deren „tiefere Sinn [...] verborgen“ bleibt (TAUBER 2005). Der „Schleier“ der eingangs erwähnten Stereotype, der sich über die mittlerweile über 45 Jahre währenden Präsenz von ÔEs Werken im deutschsprachigen Raum legt, lässt sich offenbar immer noch nicht ganz lüften: „Aber wir westlichen Leser blicken nun wir durch einen Schleier in diese fernöstliche Welt.“ (TAUBER 2005).

7. Zwischen Ablehnung und Unverständlichkeit

Größere Aufmerksamkeit erreichen ab der Jahrtausendwende nur noch Grüner Baum in Flammen (2000) und Sayonara, meine Bücher (2008). Zu ersterem Roman äußert sich der große Doyen ÔEs, Ralph-Rainer WUTHENOW ungewohnt kritisch: Er zeigt zwar Verständnis und Anerkennung für die „Intention“ („kühn und bedeutend“), äußert sich aber mit Vorbehalt hinsichtlich der Umsetzung („überfrachtet“) und dem „Duft japanischer Esoterik“. Die Rahmenbedingungen für eine adäquate Rezeption des Werks in Deutschland sieht Wuthenow auch nicht gegeben, denn einerseits bediene das Werk einen fragwürdigen Publikumsgeschmack („in Deutschland als so genannte Esoterik weit verbreitet, modisch und meistens dubios“), andererseits gebe es eine für die westlichen Leser*innen schwer zu überbrückende Distanz, die manches „belanglos“ erscheinen ließe, was in Japan auf Anteilnahme stoße, ganz einfach deshalb, weil dort das Publikum „an der realen Existenz eines anerkannten, beliebten Schriftstellers einen viel größeren Anteil [nimmt], als dies bei uns geschieht. [...] Kaum mehr als interessant wird, leider, für den unvorbereiteten Leser wohl sein, was nun als der erste Teil einer Trilogie vorliegt.“ (WUTHENOW 2000).

In den anderen Kritiken wird der Roman grundsätzlich wohlwollend, aber als schwer interpretierbares Werk aufgenommen, das „Ratlosigkeit“ hervorrufe (BURKHARD 2001) und vermutlich Anspielungen enthalte, die „intimer(e) Kenntnisse der japanischen Zeit- und Geistesgeschichte“ erfordere (C.C. 2001).

Auch bei Sayonara, meine Bücher kommt das kritischste Urteil von einer profunden ‚Kennerin’ den japanischen Literatur. „Ich, ich, immer nur ich“ lautet der Titel der Besprechung von Irmela HIJIYA-KIRSCHNEREIT in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2008). Als „Literatur-Literatur“ kreise der Text nur mehr um sich und würde bestenfalls „eine weitere Selbstoffenbarung des alternden Autors“, aber keine „Zeitkritik“ bieten. Neben der „autistischen Eitelkeit und unverstellten Ich-Bezogenheit des Autors“ kritisiert die Autorin „unnatürlich klingenden Dialoge“ als „irritierend“ und ‚ärgert’ sich über „Nationalklischees“, wobei das Werk „hervorragend übersetzt“ sei (HIJIYA-KIRSCHNEREIT 2008). In anderen Kritiken wird der Roman mit einer gewissen Vorsicht als „vielschichtiges, nicht leicht zugängliches Werk“ (EBEL 2008) und „Buch für Kenner“ (WINKELS 2009) positiv besprochen. Burkhard MÜLLER bekennt allerdings offen, dass er den Roman ganz einfach nicht verstehe:

Der Rezensent gesteht, dass er hier an den ihm dunkelsten Teil des Buchs gekommen ist. [...] Um mehr zu verstehen, müsste man zu einer wissenschaftlichen Behandlung übergehen. Ohne sie gelangt man nicht zu Antworten, sondern allein zu Fragen, die man darum so genau wie möglich fassen sollte. (MÜLLER 2008).

 

8. Vom politischen Frühwerk bis zum melancholischen Abgesang

Zwischen 2015 und 2018 erscheinen nochmals zwei Werke von ÔE erstmals in deutscher Übersetzung, die das gesamte literarische Schaffen des Autors umrahmen: Drahtseilakte und Der nasse Tod. Bei ersterem handelt es sich um einen von HIJIYA-KIRSCHNEREIT betreuten Band, mit dem es gelungen ist, ganze 44 Jahre nach der Erstveröffentlichung ein auch in Japan nur schwer zugängliches Frühwerk wieder an die Öffentlichkeit zu bringen. Von den großen überregionalen Printmedien interessieren sich allerdings lediglich vier dafür, darunter die Neue Zürcher Zeitung, in der HIJIYA-KIRSCHNEREIT selbst in einem ausführlichen Artikel den brisanten Hintergrund erläutert. In dem 1961 in der japanischen Zeitschrift Bungakukai erschienenen Beitrag mit dem Titel „Seiji shonen shisu“, in deutscher Übersetzung „Tod eines politischen Jungen“, wird aus der Täterperspektive die tatsächlich stattgefundene Mordattacke eines Siebzehnjährigen auf einen prominenten sozialistischen Politiker erzählt. Mit diesem Text hatte sich ÔE nicht nur den Zorn rechtsextremer Gruppierungen und auch des Kaiserhauses auf sich gezogen, sondern das Werk wurde selbst zum Anlass eines weiteren Mordes, als ein Siebzehnjähriger sich beim Verleger der Zeitschrift rächen wollte. Das für ÔE traumatische Erlebnis ließ den Autor für mehrere Jahre verstummen. Letzteres von HIJIYA-KIRSCHNEREIT erwähnte Detail ist für die Beurteilung von ÔEs Persönlichkeit von Bedeutung, denn es zeigt die Betroffenheit des Autors angesichts der Ereignisse, die neben den Gewaltopfern zu weitreichenden Folgen führte. Als „Chrysanthemen-Tabu“ beschreibt HIJIYA-KIRSCHNEREIT die seither in Japan wirksame Form der informellen Zensur hin Bezug auf jeglichen kritischen Inhalt in Zusammenhang mit dem Kaiserhaus. Dies könne auch eine Rolle gespielt haben, als der Autor sich im Anschluss an den Nobelpreis geweigert habe „den japanischen Kulturorden, die höchste Auszeichnung seines Landes, aus der Hand des Kaisers entgegenzunehmen“ (HIJIYA-KIRSCHNEREIT 2015). Die Frankfurter Rundschau und Frankfurter Allgemeine Zeitung nehmen die Publikation zum Anlass, um auf das seit den Anfängen vom Autor persönlich gezeigte und in seinen Werke nachweisbare politische Engagement zu verweisen. (WIDMANN 2016 u. PLATTHAUS 2016). Weniger kenntnisreich dokumentiert und differenziert fällt das Bild aus, das Uwe SCHMITT vermittelt, der das Attentat auf den Verleger ausspart und das Verschwinden des Werks als „Akt der Selbstindizierung“ beschreibt, was er dann in Zusammenhang mit Charaktereigenschaften des Autors bringt, der als „nachtragend und schwierig“ bekannt sei. (SCHMITT 2016).

Der nasse Tod (2018), das bis dato letzte in deutscher Übersetzung erschienene Werk, erhält wieder größere Aufmerksamkeit. Mit neun ausführlichen Besprechungen[36] und einem kurzen Buchtipp (o. A. 2018) werden damit noch einmal Rang an Bekanntheit und Anerkennung bestätigt, den der Autor aktuell im deutschsprachigen Raum einnimmt. Die Wertung fällt überwiegend positiv aus: sechs von den zehn dokumentierten Rezensionen loben das Werk explizit, sei es hinsichtlich seines überzeugend verwirklichten metafiktionalen Charakters[37] als auch wegen der von Sprache und Inhalt ausgehenden Wirkung, die von „spannend“ (NEUBERT 2019) bis „zutiefst beglückend“ (POHL 2018) beschrieben wird. Die erzählerisch komplexe Auseinandersetzung mit einem Kindheitserlebnis, dem unter ungeklärten persönlichen und politischen Umständen erfolgte Tod des Vaters, wird als „wunderbar abgründiges Alterswerk“ (WACKWITZ 2019), „finaler Abgesang eines großen Autors“ (MOHR 2019) und „testamentarische Beglaubigung des Früheren“ gefeiert (NEUBERT 2019). Eine an die Anfänge der ÔE-Rezeption erinnernde Haltung nimmt Stephan WACKWITZ ein, der die Eigenart des Werks vor allem über den kulturellen Kontext erklärt, indem er die Komplexität im Aufbau der Romanhandlung als Merkmal japanischer Literatur beschreibt,[38] den „Zustand depressiver Seltsamkeit“ als „Leitmotiv der modernen japanischen Literatur“ sieht und auch „für die eigentümlich schlingernde […] Konstruktion des Romans […] traditionelle japanische Vorbilder“ findet. Weder als kulturbedingte Eigentümlichkeit noch als künstlerisches Merkmal entschuldigen Karl-Markus GAUSS und Peter PISA die eher als ‚sperrig‘ denn als ‚komplex‘ wahrgenommene Form. GAUSS findet in der „knochentrockenen Abhandlung […] so gut wie gar keinen Erkenntnisgewinn“ (GAUSS 2019), ebenso wenig wie PISA, der außerdem klagt, dass die Lektüre „ganz schön anstrengend“ sei. (PISA 2018). Auch Hubert SPIEGEL in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betont die ‚Sprödigkeit‘ der Sprache,[39] akzeptiert diese aber nicht nur als ästhetisches Merkmal von ÔEs Werken, sondern auch als vom Autor intendierten Effekt: „[…] auch ‚Der nasse Tod‘ [gehört] zu jenen Romanen Ôes [gehört], die den Eindruck machen, sie hätten einen Stock verschluckt. Offenbar will ihr Autor es nicht anders.“ (SPIEGEL 2018).

 

9. Fazit

Blickt man auf den Verlauf der Rezeption der Werke ÔEs im deutschsprachigen Raum zurück, zeigt sich deutlich, dass diese von Anfang an stets als schwer zugänglich eingestuft wurden. Während zu Beginn einzelne ‚Spezialist*innen’ sich um die Einführung und Erklärung des Werks bemühten, werden diese ab dem Zeitpunkt, da ÔE dank des Nobelpreises eine breitere Resonanz in den Medien erhält, zunehmend kritischer. Dies mag zum einen mit dem, den Mechanismen des literarischen Feldes geschuldeten, Imageverlust erklärt werden, den ‚arrivierte’ Autor*innen notgedrungen erleiden (siehe Pierre BOURDIEUS beschriebene Dynamik zwischen Avantgarde und Arrièrgarde). (BOURDIEU 1992/1999). Es mag aber auch damit zu tun haben, dass der Autor im deutschsprachigen Raum nicht mehr auf die wohlwollende Förderung einzelner Pionier*innen in der Vermittlung japanischer Gegenwartsliteratur angewiesen ist, da er bereits über hinreichende Anerkennung und Bekanntheit verfügt. Wie lange sich dieser Status hält, ist noch offen, denn das Anrecht auf einen stabilen Platz im Kernkanon wird Autor*innen erfahrungsgemäß zu Lebzeiten nichtzuteil.

Zum Abschluss seien hier noch zur Veranschaulichung einige aus dem Material des INNSBRUCKER ZEITUNGSARCHIVs gewonnenen Zahlen genannt, die zwar – wie eingangs erläutert – nicht als absolute Angaben dienen können, aber trotzdem dabei helfen, den Rezeptionsverlauf zu illustrieren.[40]

10. Zahlen

10.1 ÔE

Artikel allgemeiner Art insgesamt[41]    165

Buchbesprechungen (inklusive Kurznachrichten):   107

Anzahl der Rezensionen zu einzelnen Werken[42]

Eine persönliche Erfahrung (1972): 4

Stolz der Toten (1969):  1

Der stumme Schrei / Die Brüder Nedokoro (1980): 5

Der kluge Regenbaum (1989): 3

Stille Tage (1994): 4

Verwandte des Lebens (1994):  3

Der Tag, an dem Er selbst mir die Tränen abgewischt (1995): 3

Therapiestation (1995):    3

Reißt die Knospen ab (1997): 18

Grüner Baum in Flammen (2000):    7

Der schwarze Ast (2002):  6

Der atemlose Stern (2003):   4

Tagame. Berlin – Tokyo: 2005):  17

Sayonara, meine Bücher (2008):   9

Licht scheint auf mein Dach (2014):   6

Drahtseilakte (2015):   4

Der nasse Tod (2018): 10

10.2.  ÔE im Vergleich

Zum Vergleich für die Einschätzung der Stellung Ôes in den deutschsprachigen Medien seien hier noch Vergleichszahlen aus dem Innsbrucker Zeitungsarchiv (sämtliche Artikelarten) zu den meistbesprochenen japanischen Autor*innen angeführt:

MURAKAMI, Haruki: 592

ÔE, Kenzaburô:  272

YOSHIMOTO, Banana:  99

MISHIMA, Yukio:  87

INOUE, Yasushi:  86

KAWABATA, Yasunari:  68

ABE, Kobe: 48

TANIZAKI, Jun’ichirô:   47

11. Literaturverzeichnis:

11.1.Zitierte Werke von ÔE [Deutsche Erstausgaben)

„Der Fang“. Aus dem Japanischen von Tatsuji IWABUCHI. In: Eine Glocke in Fukagawa. Japan in Erzählungen seiner besten zeitgenössischen Autoren. Herrenalb: Erdmann 1964, S. 167-291; Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1994 [von Siegfried Schaarschmidt revidierte Ausgabe].

 

Der Stolz der Toten. Aus dem Japanischen von Itsuko GELBRICH. In: DONATH, Margarethe: Japan erzählt. Frankfurt am Main, Hamburg: Fischer-Bücherei 1969, S. 125-152; aus dem Japanischen von Margarethe DONATH u. Itsuko GELBRICH. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag 1994.

 

Eine persönliche Erfahrung. Aus dem Japanischen von Siegfried SCHAARSCHMIDT. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1972.

 

Der stumme Schrei. Aus dem Englischen von Ingrid und Rainer RÖNSCH. Berlin: Volk und Welt 1980; unter dem Titel Die Brüder Nedokoro. Frankfurt am Main: S. Fischer 1980.

 

„Der kluge Regenbaum“. Aus dem Japanischen von Buki KIM. In: Der kluge Regenbaum. Der Sündenbock. Berlin: Volk und Welt 1989, S. 7-34; in: Der kluge Regenbaum. Vier Erzählungen. Berlin: Volk und Welt 1994, S. 5-35.

 

Stille Tage. Aus dem Japanischen von Siegfried SCHAARSCHMIDT und Ursula GRÄFE. Frankfurt am Main: Insel 1994.

 

Verwandte des Lebens. Aus dem Japanischen von Jaqueline BERNDT und Hiroshi YAMANE. Berlin: Edition q 1994.

 

Der Tag, an dem Er selbst mir die Tränen abgewischt. Aus dem Japanischen von Siegfried SCHAARSCHMIDT. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995.

 

Therapiestation. Aus dem Japanischen von Verena WERNER. Berlin: Edition q 1995.

 

Reißt die Knospen ab. Aus dem Japanischen von Otto PUTZ. Frankfurt am Main: S. Fischer 1997.

 

Grüner Baum in Flammen. Aus dem Japanischen von Annelie ORTMANNS. Frankfurt am Main: S. Fischer 2000.

 

Der schwarze Ast. Aus dem Japanischen von Nora BIERICH. Frankfurt am Main: S. Fischer 2002.

 

„Deutschland im meinen Lektürenotizen.“ Aus dem Japanischen von Tatsuji IWABUCHI Tatsuji. In: GIACOMUZZI, Peter u. Renate (Hrsg.): Nach Japan. Tübingen: Konkursbuch 2005, S.164-175.

 

Tagame. Berlin-Tokyo. Aus dem Japanischen von Nora BIERICH. Frankfurt am Main: S. Fischer 2005.

 

Sayonara, meine Bücher. Aus dem Japanischen von Nora BIERICH. Frankfurt am Main: S. Fischer 2008.

 

Licht scheint auf mein Dach. Aus dem Japanischen von Nora BIERICH. Frankfurt am Main: S. Fischer 2014.

 

Drahtseilakte. Der junge Kenzaburô Ôe. Aus dem Japanischen von Anton WOLF; überarbeitet von Irmela HIJIYA-KIRSCHNEREIT. München: Iudicium 2015.

 

Der nasse Tod. Roman über meinen Vater. Aus dem Japanischen von Nora BIERICH. Frankfurt am Main: S. Fischer 2018.

 

 

11. 2. Miszellaneen:

ANDO, Junko/HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela/HOOP, Matthias (Hg.) (2006): Japanische Literatur im Spiegel deutscher Rezensionen, München: Iudicium (= Bibliographische Arbeiten aus dem Deutschen Institut für Japanstudien, Band 9).

BAZIÉ, Isaac (1999): Literaturnobelpreis - Pressekritik - Kanonbildung : die kritischen Reaktionen der deutschsprachigen, französischen und englischen Presse auf den Literaturnobelpreis von 1984 bis 1994. Würzburg: Königshausen und Neumann (= Saarbrücker Beiträge zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft ; Bd. 10).

BOURDIEU, Pierre: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Franz. Original: 1992. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1999.

BROCKMANN, Anita (2001): „Die Buchbranche im Wandel. Überlegungen zum Stellenwert japanischer Literatur auf dem deutschen Buchmarkt“. In: HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (Hg.): Eine gewisse Farbe der Fremdheit. München: Iudicium, S. 77-88.

DONATH, Margarete (Hg.) (1969): Japan erzählt. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag (=Taschenbuch, Bd. 961).

GEBHARDT, Lisette (2001): Japans neue Spiritualität. Wiesbaden: Harrassowitz.

GIACOMUZZI-PUTZ, Renate (1996): „Die japanische Literatur in deutschsprachigen Printmedien“. In: Japanstudien. Jahrbuch des Deutschen Instituts für Japanstudien, hg. v. Deutschen Institut für Japanstudien der Philipp-Franz-von-Siebold-Stiftung), Bd. 8, München: Iudicium, S. 153-182.

GÖTZE, Heinz u.a. (Hg.) (1980): Engelbert Kaempfers Geschichte und Beschreibung von Japan, Beiträge und Kommentar, hrsg. von Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens (OAG), Berlin, Heidelberg, New York: Springer.

HAVRANEK, Erich (2010): Japanische Literatur auf dem deutschen Buchmarkt (Diplomarbeit). Wien.

HAVRANEK, Erich (2010a): „Atmosphäre ohne Exotik: Vermittlung japanischer Literatur im deutschen Sprachraum.“ In: BACHLEITNER, Norbert u. WOLF, Michaela (Hrsg.): Streifzüge im translatorischen Feld. Zur Soziologie der literarischen Übersetzung im deutschsprachigen Raum. Wien, Berlin: LIT Verlag, S. 293-313.

HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (1981): Selbstentblößungsrituale. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag.

PUTZ, Otto (1994): „Ôe Kenzaburô – Werkbibliographie. In: Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens ; H. 155-156, S.137-146.

SPIEGEL, Hubert (2001): „Japanische Literatur im deutschen Feuilleton“. In: HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (Hg.): Eine gewisse Farbe der Fremdheit. München: Iudicium, S. 89-98.

STALPH, Jürgen u.a. (1995): Moderne japanische Literatur in deutscher Übersetzung. München: Iudicium.

 

11.3. Rezensionen:

BARON, Ulrich (25.8.2005): „Japans späte Reue. Hitlers einstiger Verbündeter stellt sich der Vergangenheit. Romane helfen dabei.“ In: Rheinischer Merkur.

BARON, Ulrich (8.12.2005): „Abschied von der Zeit. Mit ‚Tagame’ hat Ôe ein sehr subtiles, persönliches Buch geschrieben.“ In: Die Zeit.

BLUME, Georg u. YAMAMOTO, Chikako (21.10.1994): „Ich bin nicht Honda. Der Literaturnobelpreis für Kenzaburô Ôe ist ein später Triumpf der japanischen Nachkriegsliteratur.“ In: Die Zeit; ders. Artikel unter dem Titel „‘Ich bin doch nicht Honda!‘ Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe: Später Triumpf für Japans Nachkriegsliteratur.“ In: Die Weltwoche.

BLUME, Georg (14.10.1994a): „Eine Epoche zu spät. Der Nobelpreis für Kenzaburô Ôe“. In: taz.die tageszeitung; unter demselben Titel mit leicht variierten Text in Stuttgarter Zeitung, unter dem Titel „Eine literarische Epoche zu spät“ in: Basler Zeitung.

BLUME, Georg (24.10.1994b): „Der Kritiker, der Vater, der Werte-Universalist: Japan tut sich schwer mit seinem Nobelpreisträger Ôe.“ In: Basler Zeitung. Mit selbem Datum unter dem Titel „Die Verräter“ in: profil.

BURKHARD, Joachim: „Gründe eine Religion, bitte! Kenzaburô Ôes mystischer Roman.“ In: Die Welt.

C.C. (19.5.2001): „Bedürfnisse der Seele“. In: Der Bund.

CERHA, Michael (14.10.1994): „Die Sprachlosigkeit als Schreibanstoß. Schwedens königliche Akademie ehrt heute einen Nicht-Mehr-Autor.“ In: Der Standard.

DEMETZ, Peter (20.1.1996): „Fachleute fliegen im All. Belehrend und grotesk: Kenzaburô Ôe schreibt einen Zukunftsroman“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung

DPA/AP/VN (14.10.1994): „Stolz, dass die japanische Kultur gewann. Führender Übersetzer nannte Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe herausragend.“ In: Vorarlberger Nachrichten.

EBEL, Martin (20.12.2008): „Kenzaburô Ôe über Terror und Literatur“. In: Tages-Anzeiger.

FEDERMAIR, Leopold (31.1.2015): „Ein kindlicher Meister. Kenzaburô Ôe, der Nobelpreisträger des Jahres 1994, wird achtzig und gerade wieder ‚das letzte Buch’ geschrieben.“ In: Neue Zürcher Zeitung.

FEDERMAIR, Leopold (14.1.2006): „Warum hat sich Juzô Itami umgebracht? Kritik und Selbstkritik in Kenzaburô Ôes neuem Roman.“ In: Der Standard.

GALLE, Birgit (25.5.1990): „Fluchtgedanken und Wahn. Kurzprosa von Kenzaburô Ôe“. In: Neues Deutschland.

GAUSS, Karl-Markus (24.1.2019): „Das Ungeschick des alternden Schriftstellers bei der Stabübergabe an die nächste Generation. Der Roman eines gescheiterten Romans – Kenzaburô Ôe blickt zurück auf den frühen Tod seines Vaters und gewinnt keine Klarheit“. In: Neue Zürcher Zeitung.

GUTSCHKE, Irmtraud (14.10.1994): „Ein Moralist.“ In: Neues Deutschland.

HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (21.10.1994): „Der ironische Samurai“. Großer Erzähler und liberales Gewissen Japans: der Literaturnobelpreisträger.“ In: Die Woche.

HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (11.1.2002): „Tragischer Wechselbalg. Ein Roman von Kenzaburô Ôe über den Regisseur Itami Jûzô“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (15.10.2008): „Ich, ich, immer nur ich. Ein Tag im Leben des Kogito: Bei Kenzaburô Ôe begegnen wir alten Bekannten.“ In. Frankfurter Allgemeine Zeitung.

HIJIYA-KIRSCHNEREIT, Irmela (10.12.2015): „Die Sache mit der Majestätsbeleidigung. Jahrzehntelang war eine Erzählung von Kenzaburô Ôe ‚verschwunden‘, jetzt ist sie wieder aufgetaucht“. In: Neue Zürcher Zeitung.

KRAUSE, Tilman (14.10.1994): „Kein Wunder. Das Rätselraten ist vorbei, die Favoriten gehen wieder mal leer aus: Den Literaturpreis 1994 erhält der Japaner Kenzaburô Ôe. Eine Prämie für die Zivilisationskritik.“ In: Der Tagesspiegel.

LAGES, Jonas (30.10.2018): „Am Ende gewinnt immer der Wald. In ‚Der nasse Tod‘ blickt der Literaturnobelpreisträger Kenzaburô Ôe auf das Leben seines Alter Ego zurück“. In: Süddeutsche Zeitung.

LÖFFLER, Sigrid (14.10.1994): „Gratulation an einen Unbekannten“. In: Basler Zeitung.

LÖHNDORF, Marion (15.9.2005): „Tod eines Freundes. Kenzaburô Ôes Roman ‚Tagame. Berlin – Tokyo.“ In: Neue Zürcher Zeitung.

LÜTKEHAUS, Ludger (14.10.1994): „Phantasiegewalt im Kernzeitalter. Zum Literaturnobelpreisträger Kenzaburô Ôe. In: Der Tagesspiegel.

LÜTKEHAUS, Ludger (28./29.1.1995): „Das erschriebene Leben. Der deutsche Büchermarkt entdeckt den Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe“. In: Süddeutsche Zeitung.

LÜTKEHAUS, Ludger (30.11./1.12.1996): „Der Samurai ohne Nase. Japans Literatur harrt noch immer der Entdeckung.“ In: Neue Zürcher Zeitung.

LÜTKEHAUS, Ludger (12.6.1997): „Ekel, Ethik und Erotik. Ôe Kenzaburôs drastischer Romanerstling.“ In: Neu Zürcher Zeitung.

MOHR, Peter (8.1.2019a): „Bittere Lebensbilanz. In seinem Roman ‚Der nasse Tod‘ spielt der Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe mit seiner eigenen Biographie. In: Abendzeitung.

MOHR, Peter (15.6.2019b): „Schmerz und Selbstzweifel. ‚Der nasse Tod‘ – der neue Roman von Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe.“ In: Wiener Zeitung (extra).

MÜLLER, Burkhard (5.11.2008): „Die rätselhafte Torheit eines alten Mannes. Vorzeichen in großen Holzkisten: ein Buch von Kenzaburô Ôe, an dem man das Fragen lernen kann.“ In: Süddeutsche Zeitung.

NEUBERT, Sabine (5.9.2019): „Die Enttäuschung im roten Koffer. ‚Der nasse Tod‘ von Kenzaburô Ôe ist ein Roman über schwierige Vater-Sohn-Beziehungen“. In: Neues Deutschland.

NIEDERMEIER, Cornelia (17.9.2005): „Kobolde und Kinderräuber“. In: Der Standard.

o. A. (15.12.2018): „Wir sagen euch an, den lieben Bücheradvent“. In: Der Standard.

PATZER, Georg (19.1.1996): „Keine lebende Seele. Kenzaburô Ôes ‚Therapiestation’“. In: Stuttgarter Zeitung.

PATZER, Georg (20.3.1997): „Zurück in die Dunkelheit. Kenzaburô Ôes früher Roman ‚Reißt die Knospen ab.’“ In: Stuttgarter Zeitung.

PISA, Peter (27.10.2018): „Im geheimnisvollen Koffer war Werbung für Sapporo-Bier“. In: Kurier.

PLATTHAUS, ANDREAS (29.12.2015): „Das Ende der Selbstzensur eines Nobelpreisträgers. Kenzaburô Ôe gibt seine seit 1961 nicht mehr publizierte Erzählung ‚Tod eines politischen Jungen‘ erstmals frei.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

POHL, Ronald (12.10.2018): „Die asiatische Kunst des Totengedenkens. Weltliteratur aus Japan von erlesener kalligrafischer Feinheit: Kenzaburô Ôes ‚Der nasse Tod. Roman über meinen Vater‘“. In: Der Standard.

REICH-RANICKI, Marcel (20.10.1994): „Literatur Spotlight“ (Interview). In: Der Stern, Nr. 43.

RICHTER, Rolf (14.10.1994): „Ein wortmächtiger naher Verwandter von Dostojewski. Der Japaner Kenzaburô Ôe erhält den Literaturpreis. In: Leipziger Volkszeitung.

ROSS, Werner (3.11.1980): „Viel Blut und Ekel. ein moderner Roman aus Japan.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (11.9.1972): „Ein neues literarisches Japan. Autoren neben und hinter Kenzaburô Ôe“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (25.10.1969a): „Hundert Blatt Manuskriptpapier“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (21.12.1969b): „Kawabatas Erzählungen“. In: Der Tagesspiegel.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (25./26.10.1980): „Die Brüder vom Speicherhaus. Figuren und Erfahrungen des japanischen Erzählers Kenzaburô Ôe.“ In: Die Presse.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (5.10.1990): „Ein Rätsel prall von Leben – Japan und die Frankfurter Buchmesse: Was ist japanische Literatur – was könnte sie für uns sein? Namen Zahlen – Perspektiven. In: Rheinischer Merkur.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (17.10.1994): „Der Bejaher“. In: taz.die tageszeitung.

SCHAARSCHMIDT, Siegfried (21.10.1994): „Flucht vor dem pflanzenhaften Kind. Der Kampf gegen die Atombombe und die Geburt seines behinderten Sohnes gehören zu den Schlüsselerlebnissen des japanischen Schriftstellers.“ In: Rheinischer Merkur.

SCHMITT, Uwe [itt.] (6.12.1994): „Geschmäht. Kollegenschelte für Kenzaburô Ôe“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

SCHMITT, Uwe (30.1.2016): „Ende einer Selbstzensur. Raus aus dem Giftschrank: Kenzaburô Ôes Studie eines rechtsextremen Attentäters“. In: Die Welt (Die literarische Welt).

SCHÖLER, Franz (27.2.1969): „Das überflüssige Buch“. In: Die Welt (= Die Welt der Literatur Nr. 5).

SCHÜTTE, Wolfram (26.7.1997): „Im Reich der Finsternis. Kenzaburô Ôes Debütroman ‚Reißt die Knospen ab’“. In: Frankfurter Rundschau.

SN/ohne Verfasser (14.10.1994): „Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe“. In: Salzburger Nachrichten.

SPIEGEL, Hubert (11.3.1995): „Der Idiot der Familie. Kenzaburô Ôe betreibt das literarische Geschäft der Selbstbefragung.“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

SPIEGEL, Hubert (27.10.2018): „Konig Lear in den Wäldern seiner Kindheit. Kenzaburô Ôe erzählt in seinem Alterswerk ‚Der nasse Tod‘ die Geschichte seiner Familie als Geschichte Japans“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

TAUBER, Reinhold (15.2.2006): „Blick durch den Schleier.“ In: Oberösterreichische Nachrichten.

TSCHAPKE, Reinhard (14.10.1994): „Gelobter Bürgerschreck. Der Japaner Kenzaburô Ôe erhält den Literaturnobelpreis.“ In: Die Welt.

THIELE-DOHRMANN, Klaus H. (8.1.1970): „Natur als Spiegelbild“. In: Die Welt (=Welt der Literatur, Nr. 1).

THUSWALDNER, Anton (21. 3. 2011): „In der Disziplin liegt Schönheit“. In: Salzburger Nachrichten.

VOGt, Walter (22.2.1997): „‘Schlag die Kinder tot‘“. In: Die Presse (Spectrum).

VORMWEG, Heinrich (4./5. 5.1968): „Wahlkampf in Japan“. In: Süddeutsche Zeitung.

VORMWEG, Heinrich (22./23.2.1969): „Absturz an der Eiswand. Ein neuer Roman aus Japan“. In. Süddeutsche Zeitung.

WACKWITZ, Stephan (4.4.2019): „Vom Zauber vertrottelter alter Männer. Im wunderbar abgründigen Alterswerk des japanischen Literaturnobelpreisträgers Kenzaburô Ôe kann man sich träumend verlieren und dabei etwas über sich selber lernen“. In: Die Zeit.

WIDMANN, Arno (23.10.2016): „Den Terroristen erklären. Kenzaburô Ôe beschreibt einen politischen Gegner“. In: Frankfurter Rundschau.

WINKELS, Hubert (18.6.2009): „Zitat statt Attentat. Ein Buch für Kenner: Kenzaburô Ôes Roman ‚Sayonara, meine Bücher.“ In: Die Zeit.

WITTSTOCK, Uwe (24.9.2005): „Das Leben ist so dunkel. Spätsommerliche Begegnung mit dem hoffnungslosen Nobelpreisträger Kenzaburô Ôe.“ In: Die Welt (= Die literarische Welt).

WUTHENOW, Ralph Rainer (12.7.1969): „Blick in unvertrauten Alltag. ‚Japan erzählt’ – Ein Band der Fischer-Bücherei“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

WUTHENOW, Ralph Rainer (28.11.1972): „Überwindung des Ekels“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung.

WUTHENOW, Ralph Rainer (27.1.1995a): „’Diese Welt ist furchtbar’ Kenzaburô Ôes Roman ‚Verwandte des Lebens’“. In: Frankfurter Rundschau.

WUTHENOW, Ralph Rainer (8.4.1995b): „Das Familienbuch. Die gar nicht so stillen Tage von Kenzaburô Ôe.“ In: Frankfurter Rundschau.

WUTHENOW, Ralph Rainer 14.12.2000): „Magie und Manipulation. Das verfehlte Meisterwerke: Der erste Band einer Trilogie von Kenzaburô Ôe verbreitet den Duft japanischer Esoterik.“ In: Die Zeit.


[1] http://www.uibk.ac.at/iza/

[2] Die in der Bibliographie von ANDO usw. (2006) zu Japanische Literatur im Spiegel deutscher Rezensionen angeführten Artikel und Buchbesprechungen sind ebenfalls Teil der IZA-Sammlung

[3] Die Zahlen schließen auch Kurzbesprechungen unter 500 Wörtern ein.

[4] Das IZA dokumentiert hierzu lediglich eine Besprechung aus der DDR-Ausgabe von Neues Deutschland, die zum dem bei VOLK UND WELT erschienenen Band Der kluge Regenbaum, Der Sündenbock (1989), vgl. GALLE 1990).

[5] THUSWALDNER (2011).

[6] Die Stilisierung Japans als Gegenpol zur westlichen Welt verfestigte sich vor allem Ende des 19. Jahrhunderts im Kontext der Moderne, findet sich in Ansätzen aber bereits bei Herders Vorstellung des Orients als Kindheit Europas. Andere Spuren, die zu heute noch gängigen Vorurteilen im westlichen Diskurs über Japan finden, führen zu Rassentheorien im ausgehenden 18. Jahrhundert, wo „neben anderen (süd-) ostasiatischen Staaten, mit jener pauschalen und ignoranten Abwertung bedacht wurde, wie sie in offenen und versteckten Vorurteilen noch heute gang und gäbe ist. Dass die Japaner ‚nur nachahmen, aber nicht erfinden können’, – das ist kein Slogan von vorgestern, sondern die (pseudo)wissenschaftliche Aussage eines Göttinger Professors aus dem Jahre 1790.“ (GÖTZE u.a. 1980: 9)

[7] „Bei Yukio Mishima (1925-1970) wird man rasch fündig, wenn man Aufschluss gewinnen will über das japanische Temperament. Er konnte nicht verkraften, dass sein Land uralte Traditionen aufgab und westliche Einflüsse zuließ. [...] Mishima stand auf verlorenem Posten, aber er war nur der radikalste Vertreter eines Lebens in Ritualen und Hierarchien. Der Einzelne hat sich einzufügen. Individualismus und Eigensinn sind Flausen, die ausgetrieben werden müssen.“ THUSWALDNER (2011).

[8] „Das Individuum, eine Errungenschaft der Aufklärung, auf die wir im Westen so stolz sind, wird in Japan zu einer vernachlässigbaren Größe. Ogawa stellt sich sogar in der Form des Romans darauf ein. Niemand steht für sich allein. Eine Figur, die mit einem aufregenden Erlebnis herausragt aus dem Kollektiv, bekommt ein eigenes Kapitel, um im nächsten zu verschwinden.“ Ebd.

[9] Ebd.

[10] „Doch Vorsicht, es wäre falsch, einen Autor wie Ôe zu einem der Unseren zu machen, ihn schulterklopfend unserem Verständnis einzuverleiben, Ôe ist immer auch ein Fremdling, dem wir sein Anders-Sein lassen müssen.“ (THUSWALDNER 1995).

[11] Bereits in den 90er Jahren verzeichnet die Bibliographie Moderne japanische Literatur in deutscher Übersetzung „gegenüber der 1988er Ausgabe [...] einen Zuwachs von 54,7%“. Jürgen STALPH u.a. (1995: 153). Erich HAVRANEK listet in seiner Diplomarbeit Japanische Literatur auf dem deutschen Buchmarkt die Zahl der Übersetzungen seit 1999 auf und sieht langfristig betrachtet einen kontinuierlichen, wenn auch langsam verlaufenden „Aufwärtstrend“: Seit dem Rekord im Jahre 2001 mit 124 Titeln ist der Übersetzungsanteil aus dem Japanischen mit Ausnahme der „außergewöhnlich schwachen Jahre 2002 und 2003 [...] nicht mehr unter 0,5 Prozent“ gesunken.“ HAVRANEK (2010: 30); vgl. auch HAVRANEK: „Vermittlung japanischer Literatur im deutschen Sprachraum“, S.296 f. Auch die Herausgeber*innen der Dokumentation Japanische Literatur im Spiegel deutscher Rezensionen verweisen auf die „vermehrte Aufnahme in Neuauflagen allgemeiner und literarischen Nachschlagewerke und Lexika seit den 1980er Jahren“, ANDO u.a. (2006: 13).

[12] ANDO u.a. (2006: 16).

[13] Ebd.

[14] Vgl. ANDO u.a. (2006).

[15] SCHAARSCHMIDT (1969a) u. (1969b); THIELE-DOHRMANN (1970).

[16] SCHAARSCHMIDT (1969), VORMWEG (1969); Franz SCHÖLER (1969).

[17] Die Bibliographie von ANDO u.a. (2006) dokumentiert Rezensionen aus 12 überregionalen Tages-und Wochenzeitungen von 1968 bis 2003. Aus diesem Material ergibt sich folgende Reihung: MURAKAMI, Haruki: 69 Buchbesprechungen, ÔE Kenzaburô: 34, KAWABATA Yasunari: 25, MISHIMA Yukio: 24, YOSHIMOTO Banana: 23, INOUE Yasushi: 22. Zu allen anderen Autoren werden weniger als 20 Rezensionen nachgewiesen. Zum Verlauf der Rezeption japanischer Literatur in deutschsprachigen Medien siehe auch GIACOMUZZI-PUTZ (1996), SPIEGEL (2001) und HAVRANEK (2010).

[18] BOURDIEU (1992 u. 1999).

[19] „Der Exhibitionismus eines Mishima, die ironisch gebrochene Wehleidigkeit eines Dazai, die lyrische Verhaltenheit eines Kawabata sind gleich weit entfernt von diesem Werk.“ (WUTHENOW 1972).

[20] „Dieses Buch, das mancher Leser vielleicht sogar als obszön empfinden wird, denn es verletzt, absichtlich sogar, das Schamgefühl, darf man wohl sittlich nennen.“

[21] „Nun hat sich in Japan seit etwa hundert Jahren aufgrund einer spezifischen, stark autobiographischen, die Fiktion keineswegs ausschließenden Selbstdarstellung eine Erzähltradition herausgebildet, von der er zweifellos profitiert und die er fortführt, die des shishôsetsu (Ich-Erzählung). Sie hat zur Folge, dass der japanische Leser ‚seinen’ Autor sozusagen kennt und sich gewissermaßen auch privat für ihn interessieren darf, ja, dazu aufgefordert wird.“ (WUTHENOW 1994).

[22] In der BRD erschienen bis zur Nobelpreisverleihung Eine persönliche Erfahrung 1972 beim SUHRKAMP-Verlag und Die Brüder Nedokoro 1980 beim S. FISCHER-Verlag. Der DDR-Verlag VOLK UND WELT publizierte 1978 eine neue Übersetzung von Eine persönliche Erfahrung sowie Der stumme Schrei (1980) und Der kluge Regenbaum (1989). Neue Übersetzungen erschienen in Sammelbänden in der DDR unter den Titeln: Und plötzlich stumm (1975), Hiroshima-nôto (1985) und Agui, das Himmelsungeheuer (1981); in ‚westlichen’ Sammelbänden wurden Der Fang (erstmals 1964), Der Stolz der Toten (erstmals 1969), Greisenwoche (erstmals 1982) publiziert. Vgl. STALPH (1995: 148-151) u. PUTZ (1994: 143-148).

[23] Die EDITION Q war 1992 von dem Übersetzer Jürgen BENDT gegründet worden und wurde inklusive der von Eduard KLOPFENSTEIN herausgegebenen JAPAN EDITION 2004 vom BE.BRA-Verlag übernommen. Vgl. BROCKMANN (2001: 80).

[24] SCHAARSCHMIDT war nicht nur einer frühesten und produktivsten Kritiker japanischer Literatur, sondern und war auch selbst als Übersetzer tätig, der laut Jürgen STALPH „den größten Anteil an der Verbreitung der modernen japanischen Literatur“ hatte. (STALPH u.a. 1995: xiv). Vgl. GIACOMUZZI-PUTZ (1996: 163).

[25] „Von einigen verstreut in Anthologien publizieren Erzählungen abgesehen, war seit 1972 (in verschiedenen Ausgaben) der Roman ‚Eine persönliche Erfahrung’ auf dem deutschen Buchmarkt; 1980 kam ein weiterer Roman hinzu, der im damaligen Ost-Berlin ‚Der stumme Schrei’ und als West-Übernahme (aus titelrechtlichen Gründen) ‚Die Brüder Nedokoro’ hieß. Beide hatten keine ‚großen’ Kritiken, ja, die ‚großen’ Kritiker bemerkten sie nicht einmal; daß dennoch im Falle der ‚Erfahrung’ über zwei Jahrzehnte hinweg Zigtausende das Buch erwarben, spricht für die Wirkung unauffälliger Mundpropaganda.“ SCHAARSCHMIDT (1994).

[26] „Wie in Deutschland in epochemachender Weise der Philosoph Günther Anders, so hat Ôe gleichsam ‚vor Ort’ über die drohende Zerstörung der Menschen und der Erde durch eine destruktiv gewordene Technik und über die prekäre Stellung der Imagination in seiner Zeit nachgedacht.“ (LÜTKEHAUS 1994).

[27] „Es handelt sich dabei durchweg um handwerklich solide gearbeitete, aber ohne großen artistischen Ehrgeiz geschriebene Texte, die als Ausdruck jenes ‚kritischen Bewusstseins’ aufgefasst werden können, das nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in den liberalen Milieus der übrigen ‚westlichen’ Welt zum guten Ton gehört [...] Kein Wunder daher, daß ein Preis, der mehr und mehr nach den Kriterien des politisch Korrekten verliehen wird, nun an diesen Autor geht.“ (KRAUSE 1994).

[28] Hubert Spiegel schreibt über die Artikel zu Ôe anlässlich der Nobelpreisverleihung: „Die große Anzahl der Artikel, die über Ôe erschienen sind, spiegelt aber vermutlich nicht das stark gewachsene Interesse der deutschen Leser an japanischer Literatur. Sie ist lediglich Ausdruck einer veränderten Berichterstattung in den Feuilletons. Sie sind dazu übergegangen, über kulturelle Großereignisse und all das, was sie dafür halten, im großen Stil zu berichten.“ (SPIEGEL 2001: 91).

[29] „Wie oft gesagt wurde, gleicht die Nobelpreisverleihung einem Schlüssel in der Hand des ausgezeichneten Autors, mit dem er sich den Zugang in die Weltliteratur verschafft.“ BAZIE, (1999: 229).

[30] „Unter der Überschrift ‚Ôe verdient den Nobelpreis nicht und wird bald vergessen sein‘ ist am vergangenen Sonntag in der englischsprachigen Zeitung ‚Asahi Evening News‘ eine Kritik erschienen, deren offene Verachtung für Kenzaburô Ôes Werk in Japan seit Bekanntgabe der Auszeichnung am 13. Oktober ohne Beispiel ist.“ (SCHMITT [itt.] 1994).

[31] „Es ist vielmehr außerordentlich berührend, wie realistisch, wie drastisch, wie nüchtern und zugleich wie human und poetisch Ôe die schlimmen Leiden seiner Kinder zeigt.“ (LÜTKEHAUS 1997).

[32] „Doch in Japans Außenpolitik hat man ein solches ‚excuse me’ erst sehr spät und sehr leise vernommen.“ (BARON 2005).

[33] „Wer jetzt liest, wird ihm keinen Zeit-Staub abpusten müssen.“ (SCHÜTTE 1997).

[34] „Was mich für ‚Reißt die Knospen ab‘ so einnimmt, ist der Umstand, daß hier bereits alle wichtigen Motive von Ôe versammelt sind.“ (VOGL 1997).

[35] „Deutschland im meinen Lektürenotizen.“ Aus dem Japanischen von IWABUCHI, Tatsuji. In: GIACOMUZZI, Peter u. Renate (Hrsg.): Nach Japan. Tübingen: Konkursbuch Verlag, S.164-175.

[36] Bei einer Besprechung handelt es sich um einen nur leicht variierten Text desselben Autors (MOHR 2019a und 2019b).

[37] Z.B. LAGES 2018: „Dass das Buch dabei zugleich seine Leser nachempfinden lässt, was es heißt, wenn das Erzählen sich nicht mehr seines Stoffes bemächtigen kann, ist das besondere Kunststück dieses Romans.“

[38] „Die Èducation Sentimentale oder die Buddenbrooks sind zwar reich an Figuren und Episoden, aber sie erzählen von den enttäuschten Illusionen eines jungen Mannes […] so bündig, dass man ihre Handlung zur Not in einem Satz zusammenfassen könnte, ohne dass dieser ganz falsch wäre. Einen Roman eines japanischen Autors oder einer japanischen Autorin wie Kenzaburô Ôe, Haruki Murakami oder Banana Yoshimoto kann man in seinem solchen Satz nicht zusammenfassen. Das ist der entscheidende Unterschied.“ (WACKWITZ 2019).

[39] „Ôe hat schon immer Dialoge geschrieben, die so spröde sind, dass man beim Umblättern der Seiten fürchtet, sie würden zerbröseln wie welkes Laub.“ (SPIEGEL 2018).

[40] Die Zahlen spiegeln den Stand der Sammlung am 18.2.2022 wider.

[41] Inklusive Kurzkritiken, Interviews, Porträts, Artikeln zu Geburtstagen, Preisen u.a. Anlässen.

[42] Titel und Chronologie folgen der deutschsprachigen Ersterscheinung.

Bild: (c) Reinhold Embacher, Kenzaburō Ōe: bei Sprachsalz in Hall in Tirol.