Glaubt man Lisa Eckhart, ist die Frage, ob Männer lustiger sind als Frauen, schnell beantwortet. In ihrem Programm Die Vorteile des Lasters – ungenierte Sonderausgabe redet Eckhardt nicht lange um den heißen Brei herum: „Sind Männer lustiger als Frauen? Ein für alle Mal: ja.“[1] Dass Eckhart diese, man möchte meinen etwas aus der Zeit gefallene und schon lange nicht mehr sonderlich originelle Frage in ihrem Programm selbst aufwirft, ist kein Zufall, sie reagiert damit darauf, dass die Frage nach dem Geschlecht in so gut wie jedem Interview mit einer Kabarettistin angesprochen wird und es würde nicht Eckharts humoristischem Konzept entsprechen, verwandelte sie das nicht postwendend in eine Provokation für ein vermeintlich politisch-korrektes, in diesem Fall feministisches Lager.
Das Thema dieses Aufsatzes ist nicht die Frage nach geschlechtsspezifischen Ausprägungen des Humors selbst, sondern die feuilletonistische Rezeption von Komikerinnen. Ohne hier die Grenzen zwischen Kabarett, Comedy und anderen Formen ausloten zu wollen, wurde versucht, alles zu fassen, was diskursiv unter weiblichem, performativem Humor im Feuilleton verhandelt wird, der zumindest teilweise auf einer Bühne stattfindet. Das umfasst Lisa Eckhart genauso wie Carolin Kebekus und Stefanie Sargnagl.
In einem ersten Schritt habe ich dafür eine quantitative Auswertung der Feuilleton- bzw. der Kulturberichterstattung von Printzeitungen für das Jahr 2020 durchgeführt, mit Fokus auf das Geschlechterverhältnis in Kabarett-Besprechungen. Im zweiten Schritt wurde ein Korpus von 10 Jahren gesichtet, um herauszufinden, ob es diskursive Auffälligkeiten im Sprechen über weibliche Komikerinnen gibt und wie diese sich niederschlagen. Ein so umfangreiches Korpus konnte bislang nur überblicksmäßig analysiert werden, eine genauere Auswertung bleibt ein Desiderat für die Zukunft.
Quantitative Auswertung
Die Basis der quantitativen Analyse sind die Bestände des Innsbrucker Zeitungsarchivs. Das IZA sammelt neben dem Kerngebiet der Literatur- und Theaterberichterstattung auch verwandte Themengebiete wie Oper, Philosophie, Geschichte, Wissenschaftsbetrieb und eben auch Kabarett und angrenzende Formen. Im digitalisierten Neubestand finden sich seit dem Jahr 2000 aktuell knapp 14.300 Artikel zum Kabarett im engeren Sinn, also solche, die tatsächlich mit Kabarett oder einem Kabarettisten, einer Kabarettistin verschlagwortet sind.
Eine Auswertung aller Kabarettbesprechungen für das Jahr 2020 (ca. 150 Artikel) ergibt ein Geschlechterverhältnis von 13,6% Frauen und 86,4% Männer. 48 Männer, die Kabarettbesprechungen erhielten, stehen 11 Frauen gegenüber. Zum Vergleich: Im Bereich der Literaturkritik liegt das Geschlechterverhältnis bei der Belletristik seit Jahren bei 30:70%.
Es muss dazugesagt werden, dass Kabarettbesprechungen die tatsächliche Kabarettszene sehr viel besser abbilden, als etwa die Literaturkritik den Buchmarkt. Das Kabarett ist in Bezug auf die feuilletonistische Rezeption viel näher am Theater dran, es wird zwar nicht alles lückenlos erfasst, aber während in der Literaturkritik nicht mal ein Bruchteil der Neuerscheinungen besprochen wird und werden kann, werden Theater und Kabarett doch großflächig erfasst. Auch kleinere Auftritte von weniger bekannten Künstler:innen werden zumindest in der regionalen Presse üblicherweise in irgendeiner Form verzeichnet, sei es in Form von Besprechungen oder zumindest Ankündigungen. Insofern hat die Kabarettkritik deutlich weniger steuernde Wirkung als die Literaturkritik; werden also sehr viel weniger Frauen besprochen, ist das wesentlich repräsentativer für die Kabarettlandschaft an sich. Es gibt sehr viel weniger Frauen, die auftreten, und es werden weniger Frauen besprochen, da lässt sich zumindest eine Kausalität vermuten, die im Bereich der Literaturkritik, der damit eine viel stärkere Gatekeeperfunktion zukommt, nicht vorhanden ist.
Insgesamt wurden im IZA für das Jahr 2020 931 Artikel, in denen es ums Kabarett geht, archiviert. Diese wurden nochmal weiter eingegrenzt auf Artikel, in denen Vertreter:innen des Kabaretts im Mittelpunkt stehen, das waren 404. Betrachtet man nicht nur Kabarettbesprechungen, sondern auch andere Textsorten, schaut es, was die Geschlechterverteilung angeht, etwas anders aus, der Schnitt verschiebt sich auf 70,5% Männer und 29,50 % Frauen, wobei der Plural hier relativ ist, denn bei den genannten Frauen handelt es sich zu 64% nur um eine, nämlich um Lisa Eckhart. Zählt man Eckhart weg, kommt man wieder auf einen Schnitt um die 10% Frauen. Relevant ist also nicht nur die Geschlechterverteilung gesamt, sondern die genaue Verteilung auf Personen, und da zeichnet sich ein deutliches Bild. Auch bei den Männern gibt es einige, die sehr viel Raum einnehmen, von Michael Niavarani bis Andreas Vitásek, dennoch handelt es sich um ein weiteres Feld, bei den Frauen ist der Kuchen hingegen sehr klein, da dreht sich tatsächlich alles um ganz wenige Namen, die sehr viel Aufmerksamkeit bekommen, momentan sind das Lisa Eckhart, Hazel Brugger, Carolin Kebekus, Monika Gruber und neuerdings die Tirolerin Malarina. Es fällt zudem die Bedeutung des Fernsehens auf, reine Bühnenkabarettistinnen kommen im Feuilleton kaum vor. Unterhalb dieser Oberliga spielt sich wenig ab, da tauchen dann noch einige wenige Namen auf, die aber höchstens 1-2 Artikel bekommen.
Weiters fällt auf, dass bei den Textsorten bei Frauen Interview und Porträt stärker vertreten sind als reine Besprechungen. Bei Männern gibt es mehr Besprechungen, auch reine Nachrichten und Interviews, aber weniger Porträts.
Feuilletonistische Kabarettberichterstattung aus Genderperspektive
Eines zieht sich als roter Faden durch die Berichterstattungen über performative humoristische Künste in der Presse und es ist wenig überraschend: Humor und Komik in institutionalisierter Form ist eindeutig männlich konnotiert. Thematisiert wird das allerdings immer erst, wenn es um Frauen als Vertreterinnen professionellen und kommerziellen Humors geht.
Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil einen bei der Beschäftigung mit dem Thema bisweilen das Gefühl beschleicht, dass die Zeit stillsteht. Die Kabarettgeschichte ist in Wahrheit nicht arm an Frauen, doch im Feuilleton könnte man den Eindruck bekommen, es habe nie eine Erika Mann mit ihrer Pfeffermühle, keine Therese Giese, keine Rosl Berndt, keine Liesl Karlstadt, keine Cissy Kraner oder Dolores Schmiedinger, um nur wenige zu nennen, gegeben. Das Kabarett wird mehr oder weniger ahistorisch als Männerdomäne dargestellt, als homosozial männlich strukturierter Raum, in den Frauen erst vordringen müssen und in dem sie dann geschlechtsbedingt Außenseiterinnen bleiben. Weibliche humoristische Traditionslinien werden negiert, stattdessen wird seit Jahrzehnten ein Eroberungskampf inszeniert, in dem es praktisch keinen Fortschritt zu geben scheint. Stattdessen wird suggeriert, jede Komikerinnengeneration müsse diesen Kampf um symbolisches und ökonomisches Kapital in der Kabarett- und Comedyszene erst beginnen.
Kabarettistinnen bzw. Komikerinnen werden in Konkurrenz zueinander gesetzt, und zwar nur zueinander. Geschlecht erscheint in diesem Kontext als entscheidendstes differenzierendes Strukturmerkmal von Humor – allerdings eben nur, wenn es um Frauen geht. So fad das mittlerweile auch ist, landen wir also wieder einmal bei Simone de Beauvoir: Auch im humoristischen Feld ist die Frau das andere, das markierte, während männlicher Humor als universell gilt und geschlechtlich nicht markiert wird. Es gibt Humor und es gibt „Frauenhumor“, diese doch banale Darstellung hält sich auch heute noch hartnäckig in der feuilletonistischen Rezeption.
Dazu gibt es nicht dutzende, sondern tatsächlich hunderte von Beispielen, zur Untermauerung zwei, die nur zehn Jahre auseinanderliegen, das gleiche könnte man aber auch mit mehreren Jahrzehnten dazwischen machen. Das erste Beispiel stammt aus dem Hamburger Abendblatt: Armgard Seegers titelt: „Emanzipation der Komik oder können Frauen komisch sein?“[2]. „Komik war lange Männersache“, schreibt Seegers, „dann lachte man über hässliche Frauen. Heute sind Komikerinnen attraktiv und witzig. Wir finden das lustig.“ Und weiter:
„In der Geschichte der Komik sind Frauen rar vertreten. Es gab keine weiblichen Nestroys oder Chaplins, keinen Buster Keaton, Dick und Doof, Karl Valentin, Jerry Lewis, Woody Allen, Heinz Erhardt, Loriot oder Otto. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten tauchen vermehrt Frauen auf, die als Komikerinnen arbeiten. Bei uns sind das die wie ein Solitär herausragende Anke Engelke, aber auch Cordula Stratmann, Cindy aus Marzahn oder Desirée Nick kennt man. An Trude Herr, Liesl Karlstadt, Helga Feddersen und Evelyn Hamann erinnert man sich. In den USA gibt es inzwischen Listen mit mehr als 50 herausragenden Komikerinnen, die sich unschwer verdoppeln ließen.“
Seegers bezieht sich auf den amerikanischen Komik-Markt, unter anderem die weiblichen Stars von Saturday Night Live, Tina Fey, Sarah Silverman, Amy Poehler, Kristen Wiig usw., und überträgt das dann auf den deutschsprachigen Raum, in dem sie hier noch Defizite sieht.
Der Artikel ist deshalb interessant, weil er ein sehr typisches Beispiel dafür ist, wie in der Presse über weiblichen Humor auf Metaebene gesprochen wird. Humor ist eine Männerdomäne, so der Ausgangspunkt, das wird einmal auf institutionalisierter Ebene argumentiert, mit der Aufzählung eines historisch männlichen Kanons, während humoristische Frauen historisch als Einzelfälle dargestellt werden. Diese Argumentationslinie, die eine weibliche Traditionslosigkeit suggeriert und durch die beständige Wiederholung auch immer wieder herstellt, ist so typisch wie falsch. Ein Blick in Kabarettlexika würde eigentlich genügen, um festzustellen, dass es eine Tradition von Frauen in der Komik und des weiblichen Humors gibt, was in der Presseberichterstattung aber nicht abgebildet wird.
Neben dieser historisch-professionellen Ebene gibt es eine zweite, nämlich eine pseudo-anthropologische, auf der Humor, extrem banale Geschlechterklischees bedienend und reproduzierend, als Balzinstrument dargestellt wird. Männer müssten witzig sein, weil Frauen von Natur aus attraktiver seien. Das Sprechen über weiblichen Humor wird genutzt zur breiteren Verhandlung von Geschlechterverhältnissen, die auf einer recht platten Blaupause eines auf essentialistisch argumentierten Differenzen beruhenden Geschlechtermodells aufbaut.
Dass man die Fragen nach dem weiblichen Humor unendlich oft stellen kann, zeigt das nächstes Beispiel. Zehn Jahre später, gleiche Fragestellung. Wieder wird Humor quasi als anthropologisch männliche Notwendigkeit abgeleitet, dann ändert sich die Argumentation allerdings. Peter Keller argumentiert in seinem Artikel „Lustig, böse, weiblich[3], dass ihr Frausein Komikerinnen vor Kritik schütze, vor allem vor Kritik aus der aus einem linken, der Political Correctness verpflichtetem Spektrum, daher dürften Frauen einen Humor pflegen, der männlichen Komikern qua Geschlecht verwehrt sei. Sein Fazit: die erfolgreichen weiblichen Komikerinnen, er nennt Eckhart, Kebekus und Brugger, würden einen männlichen Humor „ausüben“ und hätten auch ein überwiegend männliches Publikum. Jede der drei repräsentiere einen recht einfach gestrickten Typus: Brugger den Intellektuellenhumor, Kebekus den sexy Kumpel-Typ, Eckhart stehe für Provokation unter der Gürtellinie. Dass Kebekus seit Jahren vorrangig feministische Programme macht, wird nicht erwähnt.
Die beiden 10 Jahre auseinanderliegenden Artikel bilden exemplarisch die zwei Perspektiven ab, aus denen das Feuilleton auf Komikerinnen blickt. Was aber nicht stattfindet, was ja tatsächlich interessant wäre, wenn man die Frage nach dem komischen Potential von Frauen schon stellen möchte, ist die Diskussion, ob es Spezifika eines weiblichen Humors gibt, die aus einer marginalisierten Position erwachsen, die Frage nach der Subversion eines solchen Humors, die Frage nach einer spezifisch weiblichen Performanz und einer Körperlichkeit, abseits von Feststellungen wie „früher waren Komikerinnen hässlich, heute sind sie sexy“. Mit Michail Bachtins Karnevalstheorie gelesen, könnte man gerade Frauen als prädestiniert für die Komik sehen, im Sinne einer karnevalesken Umkehr von Hierarchien. Es gäbe also sehr viel Potential, mit der Frage nach weiblicher Komik umzugehen, das findet aber im Feuilleton (und auch in der Wissenschaft) kaum Resonanz.
Das heißt nicht, dass der Körper der Komikerinnen, der komische Körper sozusagen, keine Rolle spielt, im Gegenteil. Die Optik ist sehr wichtig und wird häufig beschrieben, wobei mit Stereotypen und Sexismen nicht gespart wird, vom blonden Gift, wie es für Lisa Eckhart nicht nur einmal verwendet wird, bis zum „Püppchen mit frecher Schnauze“[4], wie im Beispiel über Sonja Pikart getitelt wird: Die Kabarettistin wird als „gertenschlanke Blondine“, „als zartes Püppchen“ bezeichnet, auch die „freche Schnauze“ und „faustdick hinter den Ohren“, sind paternalistisch-sexistische Beschreibungen, die für Männer nicht verwendet werden würden, ganz abgesehen davon, dass das Aussehen von männlichen Komikern nur im Ausnahmefall thematisiert wird, ein solcher Fall wäre etwa Hermes Phettberg, dessen Körperlichkeit wiederum eine Marginalisierung subversiv resignifiziert. Frech und sexy, auch das ist als Beschreibung von Komikerinnen mehr Regel als Ausnahme, über die serbisch-tirolerische Kabarettistin Malarina, Trägerin des Österreichischen Kabarettpreis 2022 und Gewinnerin des Salzburger Stieres, heißt es etwa: „blondgelockt, nicht eben reizarm, auf hohen Schuhdingern – und sowas von frech“[5].
Und jetzt?
Das führt zum Jetztzustand und zur Frage, ob sich aktuell neue geschlechtsspezifische Auffälligkeiten in der Presseberichterstattung über Komikerinnen identifizieren lassen. Neben den immer noch gängigen Kategorisierungen weiblicher performativer Komik fallen zwei Dinge in den letzten Jahren stärker auf als vorher und das ist einmal, dass Künstlerinnen selbst auf ihre Unterrepräsentation aufmerksam machen, was dann in der Presse auch aufgenommen wird, beispielsweise beschwert sich Franziska Wanninger in der Abendzeitung: „[…] in allen etablierten Kabarettsendungen treten immer fünf Männer auf, nur in jeder dritten Sendung ist mal eine frau dabei, und das ist aber immer nur eine von den drei gleichen.“[6] So richtig groß gemacht hat das Thema Carolin Kebekus, neben ihren Programmen und Fernsehsendungen vor allem mit ihrem Buch Es kann nur eine geben[7]. Kebekus beschreibt darin die starke Konkurrenz zwischen Frauen in der Szene Comedy-Szene, die durch die strukturell bedingte Unterrepräsentation von Künstlerinnen entstehe. Die Presse-Rezeption blendete die strukturelle Komponente weitestgehend aus, Kebekus und hob stattdessen die vermeintliche „Stutenbissigkeit“ hervor.
Auffällig ist, dass mit der Frage nach weiblicher Komik und weiblichen Humor kaum inhaltliche Fragestellungen verknüpft werden. Das Kabarett, die humoristische Bühne wird als Ort der Ausverhandlung traditioneller Geschlechterrollen rezipiert, die Zwischenräume, die gerade der Humor öffnen kann, werden meist übersehen. Stärker in den Blick genommen werden stilistische und habituelle Fragen, was man an der zur Zeit am meisten diskutierten Kabarettistin Lisa Eckhart zeigen kann. Eckhart steht im Zentrum einer Debatte, die in der Art, wie sie geführt wird, symptomatisch für die Verhandlung von weiblicher Komik gelesen werden kann. Eckhart selbst inszeniert eine hypertrophe, gleichzeitig recht androgyne Weiblichkeit, während sie sich gleichzeitig von der Entität „Frauen“ ausnimmt. Ganz im Zeichen ihrer Kunstfigur gebärdet sie sich vielmehr misogyn und ruft einen Opfercontest zwischen Juden und Frauen aus, in dem die Juden als Sieger hervorgehen, weil es den Frauen nicht gelungen sei, aus ihrer Unterdrückung einen genuin weiblichen Humor zu entwickeln. Während sie selbst die Frage nach dem weiblichen Humor und damit auch ihrer eigenen Stellung als weibliche Kabarettistin ironisch ins Lächerliche zieht, wurde dieser Opfercontest dann tatsächlich ins Feuilleton getragen. Während die einen Eckhart Antisemitismus vorwarfen, am prominentesten Maxim Biller in der SZ,[8] sahen andere im Sprechen über Lisa Eckhart sexistische Grundtöne, die sich bei Ausdrücken wie „das Fräulein Eckhart“, das blonde Gift, die Krawallschachtel, die „Nazi-Domina“, Kommentaren über Frisur, Figur und Kleidung auch nicht abstreiten lassen. Eva Menasse rückte dann aus, um diesen Sexismus offenzulegen. Der Umgang mit Eckhart sei „Frauendämonisierung“[9], Biller mache die Kabarettistin zur Hexe. Eckharts ironische Gleichsetzung der Opfergruppen Frauen und Juden wird ignoriert, sowohl von ihren Kritiker:innen als auch von ihren Verteidiger:innen. Man wirft ihr Rassismus, Antisemitismus und Homophobie vor, Misogynie interessanterweise allerdings nicht. Stattdessen entsteht eine Sexismusdebatte, in der die einen sich von Eckharts Inszenierung zu sexistischen Sprüchen provoziert fühlen, und damit Eckhart gleich doppelt auf den Leim gingen, während andere zur Verteidigung ausrückten.
Das Fazit fällt nicht unbedingt erfreulich aus: Der zeitgenössisch erfolgreiche professionelle Humor arbeitet noch immer am liebsten mit der Überzeichnung realer Verhältnisse, mit Stereotypen und bekannten Mustern. Komiker:innen, die andere Konzepte verfolgen, bleiben hingegen häufig nur aufmerksamkeitsarme Nischen. Das Feuilleton übernimmt diese Strukturen, statt sie zu hinterfragen, weiblicher Humor wird nicht als subversives Potential gesehen, sondern als Sonderfall dargestellt und Traditionslinien ignoriert, queerer, nicht-heteronormativer Humor wird so gut wie gar nicht wahrgenommen. Impulse, die von Komiker:innen in diese Richtung ausgehen, zeigen bislang kaum Wirkung, stattdessen werden die ewiggleichen Fragen entlang stereotyper Geschlechterbilder entlang verhandelt. Immerhin, so scheint es, sind es die jungen, weiblichen Komikerinnen, die am meisten innovatives Potential haben und tatsächlich einen Wandel herbeiführen wollen. Das Feuilleton hinkt da noch etwas hinterher.
[1] Küveler, Jan: Worüber Lisa Eckhart lacht. In: Die Welt v. 12.11.2021, S. 27.
[2] Armgard Seegers: Emanzipation der Komik oder können Frauen komisch sein? In: Hamburger Abendblatt (online) v. 16.7.2011: https://www.abendblatt.de/kultur-live/article108052989/Emanzipation-der-Komik-oder-koennen-Frauen-komisch-sein.html (abgerufen am 23.11.2022).
[3] Peter Keller: Lustig, böse, weiblich. In: Die Weltwoche v. 30.01.2020, S. 62.
[4]maz: Püppchen mit frecher Schnauze. In: Wiener Zeitung v. 17.09.2021, S. 25.
[5] Markus Schramek: Entdecke den Schwabo in dir. In: Tiroler Tageszeitung v. 02.04.2022, S. 16.
[6] Mathias Hejny: Schweigen: zwei Mark. In: Abendzeitung v. 19. Februar 2018, S. 31.
[7] Carolin Kebekus: Es kann nur eine geben. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2021.
[8] Maxim Biller: Die Truppenbetreuerin beim ZDF. In: Süddeutsche Zeitung v. 03.12.2020, S. 27.
[9] Eva Menasse: Blondes Gift? In: Die Zeit v. 10.12.2020, S. 64.
Bild: Erika Mann:World Telegram staff photographer - Library of Congress. New York World-Telegram & Sun Collection. http://hdl.loc.gov/loc.pnp/cph.3c19199