Wer sich über den Literaturbetrieb und in diesem Zusammenhang auch über Literaturkritik informieren möchte, der kann auf ein neues Standardwerk zurückgreifen. Zwar hat es den Band bereits 1971 in der ersten und 1981 in der zweiten Auflage gegeben, allerdings war schon der Band von 1981 eine Neufassung. Was man jetzt käuflich erwerben kann ist ein Band, der mit seinen Vorgängern wenig mehr als den Titel gemeinsam hat. Dass sich einzelne Beiträge korrigierend auf die früheren Auflagen beziehen ist ein kleiner Bonus für jene, die nicht nur am Status quo, sondern auch an der nichts weniger als rasanten Entwicklung des Literaturbetriebs interessiert sind.
Der vorliegende Band beleuchtet in einzelnen Beiträgen wichtige Teile jenes Gegenstandsbereichs, den man als Literaturbetriebsforschung oder Literaturvermittlung bezeichnen könnte und der immer noch zu den Stiefkindern der literaturwissenschaftlichen Forschung gehört, auch wenn die Publikationen zu den verschiedensten Themenfeldern wie Verlagswesen und Literaturkritik zweifellos zugenommen haben. Die Herausgeber haben durch die Wahl ihrer Beiträger versucht, vor allem Praktiker des Betriebs zu Wort kommen zu lassen, um einen möglichst fundierten Eindruck zu vermitteln. Ergänzt werden deren Beiträge durch informative Bestandsaufnahmen von Wissenschaftlern, die nicht nur den deutschen Betrieb betreffen – insofern ist der auf Deutschland fokussierende Buchtitel etwas irreführend. Wer sich beispielsweise über den Literaturbetrieb in Österreich unterrichten will, der findet derzeit wohl keine bessere Zusammenschau als den Beitrag der Klagenfurter Germanistin Doris Moser, die auf gut 30 Seiten nicht nur einen historischen Abriss und eine Fülle von Fakten zur gegenwärtigen Situation bietet, sondern auch eine inspirierende Kritik der Literatur- und Kulturpolitik der Alpenrepublik. Weniger ergiebig, nicht nur an Seitenzahlen, fällt hingegen Stefanie Preuss‘ Gegenstück für die Schweiz aus.
In der Rubrik „Berufsbilder“ kommen u.a. der Wallstein-Verleger Thedel v. Wallmoden und der Literaturkritiker Helmut Böttiger zu Wort. Auch an diesen beiden lässt sich exemplarisch die unterschiedliche Qualität der Beiträge nachweisen. Während v. Wallmoden eine humorige, aber fundierte Einführung in den „blödesten Beruf der Welt“ bietet und auch auf die heutigen Anforderungen an einen Buchverlag eingeht, erschöpft sich der – gleichwohl glänzend geschriebene und unterhaltsame – Beitrag Böttigers in den üblichen Krisenszenarien einerseits und der Hoffnung andererseits, dass sich auch in Zeiten des Internets und der gestiegenen Orientierung an der Publikumserwartung jüngere Kritiker finden lassen, „die sich dem essayistischen Ideal verpflichtet fühlen“. Ohne konkrete Hinweise, wo solche Nachwuchsstars ihrer lobesamen Tätigkeit nachgehen, klingt das ein wenig wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Weitere „Berufsbilder“, die vorgestellt werden, sind: Lektoren, Übersetzer, Agenten, Verlagsvertreter, Buchhändler und, soweit es die vorhandenen Ausbildungswege betrifft, sogar Autoren.
Merkwürdig ist, dass die zweite Rubrik „Vermittler“ betitelt ist, denn alle genannten Berufe können bereits darunter gefasst werden. Hier geht es vielmehr um Institutionen: Autorenverbände, Literaturhäuser, literarische Gesellschaften, Literaturmuseeen und -archive sowie Literatur- und Sprachakademien. Besonders die Beiträge von Rainer Moritz, der das Literaturhaus Hamburg leitet, und Christine Kussin, der umtriebigen Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften, lösen die Erwartungen an eine informative, lesenswerte Darstellung auf vorbildliche Weise ein. Zwar ist auch ihnen, wie den meisten ‚Praktikern‘ (die in der Regel ein Philologiestudium absolviert haben), das Ziel der Werbung in eigener Sache nicht ganz fremd, doch rückt es bei ihnen nicht in den Vordergrund; ein Gegenbeispiel wäre der Beitrag von Bernd Busch, Generalsekretär der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Hier wird die Überzeugung von der großen Bedeutung solcher Akademien nicht durch den Nachweis sinnvoller Tätigkeit unterfüttert, wenn man von der zweifellos verdienstvollen Verleihung von Preisen und der Herausgabe von Zeitschriften absieht.
Der dritte Block heißt „Literaturbetrieb und Öffentlichkeit“, hier geht es (eher unkritisch und selektiv) um literarische Events und Literaturpreise, vor allem aber um das wichtig gewordene Thema Literatur und / im Internet. Das Kapitel „Debatten“ von Sabine Buck beschäftigt sich mit dem „Kritikerstreit“, ohne den 2007 im Göttinger Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienenen und 2009 neu aufgelegten Band „Literatur als Skandal“ zu kennen. Abgesehen von einer kleinen Bilanz bekannter Debatten vermag dieser Beitrag, wie mancher andere auch, nicht viel Neues zu bieten, aber das soll ihm nicht angekreidet werden. Schon die Zusammenführung so vieler Facetten des Literaturbetriebs zwischen zwei Buchdeckeln macht den Reiz des Bandes aus.
Es sollte deutlich geworden sein, dass der Band von Arnold und Beilein viel zu bieten hat. Die Beiträge sind durchweg auf hohem Niveau, dafür bürgen bereits einige illustre Beiträger, die den Betrieb seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten wie ihre Westentasche kennen. Und dass mancher Beitrag auch für den Literaturbetriebskundigen noch ein informatives Lesevergnügen sein kann, ist ein nicht zu unterschätzender Mehrwert.
Stefan Neuhaus , 08.10.2009